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Wandel der deutschen Sprache

Deutsche Sprache

Aussterbende Wörter

Sprache befindet sich immer auch im Wandel. Während gesellschaftliche und politische Veränderungen dazu führen, dass neue Worte hinzukommen, verschwinden andere sang- und klanglos. Doch sollten wir wirklich zulassen, dass Wörter wie "fabulös" oder "blümerant" einfach vergessen werden?

Es ist wohl das bekannteste Beispiel für den stetigen Wandel der deutschen Sprache: Nach und nach verabschiedet sich der Genitiv aus dem deutschen Sprachgebrauch. Sätze, die noch vor einigen Jahrzehnten undenkbar gewesen wären, sind heute überall zu hören. Fast empfinden wir die korrekte Nutzung des Zeugefalls als antiquiert. Statt "das Buch meines Vaters" sagen wir "Das Buch von meinem Vater". Nicht zuletzt sorgte Bastian Sicks Bestseller "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod" für Aufruhr unter den Grammatikliebhabern und rief damit Boykotteure auf den Plan, die sich durch einen übertriebenen Gebrauch des Genitivs gegen dessen Aussterben einsetzten.

Doch Sprache entwickelt sich mit ihrem Gebrauch auch immer. Das Indogermanische verfügte früher sogar über 8 Kasus, von denen heute nur noch vier übrig sind. Und wer weiß, wann wir nur noch von dreien sprechen. Es ist aber nicht nur die Grammatik, die sich im stetigen Wandel befindet. Auch gesellschaftliche und politische Entwicklungen haben Einfluss auf die Sprache - speziell auf unseren Wortschatz. Alle drei bis vier Jahre wird sogar eine Neuüberarbeitung des Dudens notwendig, weil sich neue Begriffe etablieren. Erst im letzten Jahr wurden die Worte "Shitstorm", "Zockerpapier" und "Compi" neu in das 140.000 Einträge umfassende Standardwerk aufgenommen.

Andere Begriffe dagegen verschwinden scheinbar unbemerkt, was bei ca. 500.000 Wörtern vielleicht auch kein Wunder ist. Und das aus verschiedenen Gründen. Teils handelt es sich dabei um "Modewörter", die mit der Zeit von anderen abgelöst werden (so sagte man früher "knorke" und heute "geil"), manchmal sind es aber auch die Gegenstände selbst, die die Wörter bezeichnen, die nicht mehr existieren oder genutzt werden. Heute verliert wohl kaum noch jemand seine Nerven, weil er mit einem "Bandsalat" kämpft, und auch der sich wendende Aufzug "Paternoster" ist zu einer seltenen Attraktion geworden. Andere Wörter hingegen  werden von neuen verdrängt. Vor einiger Zeit nannte man junge Mädchen noch "Backfisch", heute sind es "Teenager"; früher ging man "schwofen", heute sagt man "tanzen".

Anfang 2013 wurde heftig über die Modernisierung von Preusslers Kinderbüchern diskutiert. Manche Formulierungen und Begriffe in "Die kleine Hexe" oder "Der kleine Wassermann", so hieß es, seien Kindern einfach nicht mehr geläufig und somit unverständlich. So wisse wohl kaum ein junger Leser, was "wichsen" oder "verbläuen" bedeute und darum sollten sie von zeitgemäßen Ausdrücken ersetzt werden. Es ging um Wörter, die einfach nicht mehr benutzt wurden. Und jetzt mal ehrlich: Wie viele der aussterbenden Wörter vermissen wir wirklich?

Vielleicht nicht viele - manche aber eben schon. Hin und wieder stolpert man beim Lesen über Begriffe, die man beinahe vergessen hätte und die doch so schön klingen, dass man sich fragt, wieso man sie eigentlich so selten hört. Und gleich möchte man sie in den eigenen aktiven Wortschatz integrieren. "Sapperlot" ist ein solches Wort, das mich ebenso wie "Donnerlüttchen" durch meine Kindheit begleitete, weil Onkel Dagobert sie gerne nutzte. Doch als ich aufhörte, die "Lustigen Taschenbücher" zu lesen, waren sie mir nicht mehr präsent und verschwanden nach und nach aus meinem Bewusstsein.

Fast vergessen und dann durch die deutsche Version der "Herr der Ringe"-Filme wieder in Erinnerung gerufen, ist dieses Wort bei mir auf der Liste der "zu rettenden Wörter" ganz nach oben geklettert. "Garstig" nennt Gollum die kleinen "Hobbitse" - und ich finde, es gibt noch viel mehr Dinge, die "garstig" sind. Garstiges Wetter, garstige Krähe, garstiger Schaffner - es gibt zu viele Verwendungsmöglichkeiten als dass dieses wunderbare Wort einfach in Vergessenheit geraten sollte.

Auch die Ausdrücke "blümerant", "Gauner", "luftikus", "Fisimatenten", "Pauker", "Schabernack", "Schlamassel" und "Schuft" sollten meiner Meinung nach wieder häufiger benutzt werden.

Brodo Mrozek machte es sich vor einigen Jahren zur Aufgabe, aussterbende Wörter zu sammeln und fasste sie in dem "Lexikon der bedrohten Wörter" zusammen. Dabei ging es ihm aber nicht um einen Kulturkampf, sondern, wie er selbst sagte, "um den kreativen und liebevollen Umgang mit der deutschen Sprache". Die aufgenommenen Begriffe sollten einfach nicht vergessen werden - auch wenn ihr Gebrauch nach und nach zurückgeht.

 Auch Wibke Ladwig sammelt auf der Plattform "Wortweide" seit 2011 außergewöhnliche und vom Aussterben bedrohte Wörter. Dabei bietet sie den Lesern die Möglichkeit, selbst Ausdrücke hinzuzufügen und Wortpate zu werden.

Was meint ihr? Gibt es Wörter, die ihr jetzt schon vermisst, weil sie nach und nach aussterben? Welche sind es? Und gibt es vielleicht auch Ausdrücke, um die ihr nicht traurig wärt, würden sie einmal verschwinden?

Kommentare

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bookworm kommentierte am 15. Mai 2014 um 13:10

Ahahaha :D 

Blackfairy71 kommentierte am 15. Mai 2014 um 15:39

*lach* Wie diabolisch von dir.

Also ich kenne "plümerant"...aber ich glaube, das ist eher Ruhrpott-Dialekt und bedeutet, dass einem etwas übel ist.

Blackfairy71 kommentierte am 15. Mai 2014 um 15:36

Ein schöner Artikel. Und auch ich kann mit der sog. Jugendsprache nicht viel anfangen, finde sie teilweise echt gruselig, wenn da einfach Wörter fehlen. Beispiel: "Sollen wir uns treffen" hieß es früher. Heute heißt es: "Lass uns treffen"  Äh, wen oder was?

Auch dieses Denglisch ist teilweise wirklich schlimm. Wieso müssen deutsche Wörter, die Sinn machen und jeder versteht, durch englische ersetzt werden. Beispiel: upgeloaded oder ge-uploaded. Letztens hab ich eines gehört, das mir aber jetzt leider nicht mehr einfällt, aber das war völlig sinnfrei.

Blackfairy71 kommentierte am 15. Mai 2014 um 15:45

Übrigens ein Grund, warum ich gerne historische Romane lese oder eben auch ältere Bücher, ist die Sprache.

katzenminze kommentierte am 15. Mai 2014 um 19:06

Die Seite "Wortweide" finde ich wirklich großartig! Eine sehr schöne Idee. Und eine schöne Inspiration. :)

Speziell im Duden finde ich es nicht schlimm, dass Wörter kommen und gehen. Viele Modewörter verschwinden ja auch schnell wieder. Da es ein Wörterbuch ist und in erster Linie praktisch sein soll, kann man es eben nicht unendlich erweitern. Dass dafür wunderschöne ältere Wörter Platz machen müssen ist schade, aber es hält ja niemanden davon ab sie weiterhin zu benutzen.

Ich finde falsche Befehlsformen ganz grässlich! Ich höre so oft, dass jemand "Ess" oder "Les" oder "Helf mir" oder solche Scherze sagt. Da kann ich mich nie beherschen und muss korriegieren.

Bei mir zu Hause geht's oft: "Helf mir mal!" "Das heißt Hilf mir!" "Ja, das ist aber Dialekt." "Das ist keine Dialekt, das ist falsch!" x)

Buchbahnhof kommentierte am 16. Mai 2014 um 14:42

Mir ist heute noch ein Wort über den Weg gelaufen, welches (glaube ich) ausgestorben ist. Es ist kein schönes Wort und ich würde nicht sagen, dass es erhaltenswert ist, aber ich muss gestehen, dass ich sehr zusammengezuckt bin, als ich es hörte und überlegt habe, ob heute überhaupt noch viele Menschen die ursprüngliche Bedeutung kennen.

Ich höre gerade "Liebe ist ein Notfall" und dort kommt so oder ähnlich der Satz vor: "Hallo Engelmacher!".
Bei Engelmacher habe ich sofort an die Engelmacherin gedacht, die früher die Abtreibungen vorgenommen hat. Dadurch fand ich diese Anrede zunächst sehr befremdlich, bis mir aufging, dass die Autorin damit meinte, dass der angesprochene vorher einen Schneeengel gemacht hatte.

Karithana kommentierte am 17. Mai 2014 um 14:24

Mir fallen jetzt leider nicht sofort Beispiele ein. Aber ich freue mich immer, wenn ich ein Wort nach Jahren mal wieder höre :-)

Die Fisimatenten höre ich ab und zu. Anscheinend weiß aber kaum jemand, wo das ursprünglich herkommt (oder herkommen soll) und da sprechen das dann viele ganz anders aus. 

Pampelmuse Effi fabulierte am 18. Mai 2014 um 19:15

Ich oute mich mal als Benutzer folgender Wörter: Schabernack, Sapperlot, Schuft und Fabulös :D Aber eigtl mehr, da an diesen Wörtern ein wenig etwas ironisches liegt. Eben da man sie nur noch so selten hört. Im besten Fall von alten Leuten, die sie sich nie abgewöhnt haben.

schatzye kommentierte am 19. Mai 2014 um 10:45

Ich bin in meinem derzeitigen Buch auf das Wort "possierlich" gestoßen. Ach, das hab ich ewig nicht mehr gehört :) Das sollte nicht aussterben!

kommentierte am 21. Mai 2014 um 21:53

Jetzt gibt es doch mittlerweile coolere Wörter wie Babo und Vallah, also ist die Jugend von heute auf jeden Fall sehr erfinderisch. 

 

Brilli kommentierte am 06. Dezember 2014 um 15:58

Statt der alten Worte, die früher auch in der Kommunikation miteinander verwendet wurden, erfreut sich heute für alles Mögliche das Englische sehr großer Beliebtheit - und wenn dann noch kaugummikauend undeutlich gesprochen wird - ist die spätere Frage: "Wer zum Henker ist denn eigentlich dieser 'Lars Krissmess', von dem alle Welt quasselt?" absolut gerechtfertigt. :-)

micluvsds kommentierte am 08. Januar 2016 um 16:05

Ich habe da vor einiger Zeit ein Buch gelesen, in dem solche vom Austerben bedrohten Ausdrücke gesammelt wurden. Selber nutze ich teilweise durchaus "alte" Ausdrücke, das mag daran liegen, dass ich gerne alte Bücher auch in alten Ausgaben lese.

Selber bin ich erst vor kurzem auf die Ausdrücke "Ich leide es sehr" (für "ich mag es sehr") und "Mich tut Wunder" (für "ich frage mich") gestoßen, die mich einfach angesprochen haben. Ich versuche mich gerade an einem Buchprojekt, und dort habe ich für einen älteren Herrn, der dort auftritt, auch gezielt nach solchen "alten" Begriffen gesucht, um sie ihm in den Mund zu legen.

 

In meiner Schulzeit (um 1990 herum) haben meine Freundin und ich unsere Lehrer aber mit Ausdrücken wie "Das wäre ja eine Wolke" sehr irritiert - dabei haben wir nur beide viel gelesen.

buchstabine bemerkte am 08. Februar 2016 um 23:25

Ich sammele selbst seit Jahren in einem Word-Dokument "vergessene Wörter" und freue mich über den hier eben gefundenen Link zur "Wortweide". Meine Lieblingsworte sind Polter und Habseligkeiten.

Ärgern tue ich mich zunehmend über folgende Angewohnheiten:

  • Den übermäßigen Gebrauch von "nicht unumstritten" anstelle von "umstritten"
  • "ich erinnere (nicht reflexiv gebraucht, also z.B. "ich erinnere den Tag, als das-und-das geschah") 
  • "ebend" (wobei ich nicht weiß, ob die Sprecher es mit d oder t am Ende schreiben würden ...)

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