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NachLESE: Mordermittler Josef Wilfling berichtet über seine Fälle

"Jeder kann zum Mörder werden." Das sagt einer, der es wissen muss: Kriminaloberrat a. D. Josef Wilfling. 22 Jahre lang hat er ununterbrochen bei der Münchner Mordkommission gearbeitet, war seit 2002 deren Leiter. 1.211 Tötungsdelikte haben sich während dieser Zeit ereignet. Seit 2009 ist Josef Wilfling pensioniert. 2010 erschien sein erstes Buch "Abgründe - Wenn aus Menschen Mörder werden". Zwei Jahre später folgte "Unheil - Warum jeder zum Mörder werden kann". Im Herbst kommt sein drittes und letztes Buch heraus. "Und dann ist Schluss." sagt der in München lebende Oberfranke, der schon immer gern geschrieben hat.

Josef Wilfling zog gestern Abend im Wasserschloss Klaffenbach die zahlreichen Zuhörer in seinen Bann, denn er berichtete sachlich und hochspannend zugleich von den Fällen, die er in seiner Laufbahn als Mordermittler erlebt hat. Die ersten Leichen bekam er 1970 nach einem Brandanschlag in einem jüdischen Altenheim zu Gesicht. 7 Opfer waren zu beklagen und ihr Anblick schockierend für den damals 23-jährigen Polizisten. "Psychologische Betreuung? Fehlanzeige!" berichtet er. Josef Wilfling hat dieses traumatische Erlebnis ohne professionelle Hilfe verarbeitet, indem er sich bewusst damit auseinandergesetzt hat. Verdrängen helfe nicht.

Auch öffentlichkeitswirksame Kriminalfälle hat der heute 68-Jährige bearbeitet - die Morde an Schauspieler Walter Sedlmayr und Modeschöpfer Rudolph Moshammer zum Beispiel.

Echte Mordfälle werden im Vernehmungszimmer gelöst
Josef Wilfling, der selbst gern Krimis liest, räumt mit Stereotypen aus Unterhaltungsliteratur und Fernsehen auf, die schlichtweg falsch sind: "Echte Mordfälle werden im Vernehmungszimmer gelöst und nicht im Rahmen eines großen Showdowns mit gezückter Waffe.", erklärt er. Bei der Verhaftung eines Verdächtigen seien die Vernehmer außerdem nicht anwesend.

Gift ist aus der Mode gekommen
Interessante Fakten und Zahlen zum Thema Mord hat Josef Wilfling außerdem im Gepäck, beispielsweise zu den häufigsten Tötungsarten: An erster Stelle steht das Erstechen. In 50 Prozent der Fälle werden diese Morde mit dem Küchenmesser verübt. Gewalt gegen den Hals in Form von Erdrosseln und Erwürgen steht an zweiter Stelle. Die dritthäufigste Tötungsart sei das Erschlagen bzw. Tottreten. Die wenigsten Tötungsdelikte werden in Deutschland mit Schusswaffen verübt, was den strengen Waffengesetzen zuzurechnen ist. "Gift ist aus der Mode gekommen." erzählt Josef Wilfling. Das liege daran, dass man heutzutage nahezu jedes Gift nachweisen kann. In seiner gesamten Laufbahn habe er es mit zwei versuchten Giftmorden zu tun gehabt. Die Täter waren in beiden Fällen Frauen.

Insgesamt sei Deutschland im Vergleich mit anderen Ländern im Hinblick auf die Mordrate "eine Insel der Glücksseligen". Auf 100.000 Menschen komme 1 Tötungsdelikt, so der Fachmann. Die Aufklärungsquote liege bei über 95 Prozent. Erfreulich ist die Tatsache, dass die Anzahl der Mordfälle stetig zurückgeht.

Trotz der furchtbaren Bilder, die Josef Wilfling im Laufe der Jahre mit ansehen musste, hat er sich seinen Humor bewahrt. Der sympathische Pensionär gibt dem Publikum, das durchweg aufmerksam und teilweise mit angehaltenem Atem seinen Ausführungen gelauscht hat, am Ende des anderthalbstündigen Vortrags augenzwinkernd folgende Wahrheit mit auf den Weg: Der Mörder lauere zumeist nicht hinter dem Busch, sondern in den eigenen vier Wänden.

© Stephanie Manig, buchstabenfaengerin.wordpress.com