Rezension

100 Jahre – Drei Generationen

Glück hat seinen Preis - Irina Korschunow

Glück hat seinen Preis
von Irina Korschunow

Bewertet mit 4.5 Sternen

Marianne, genannt Janni, macht sich nach dem Tod ihrer Mutter Christine Gedanken über deren Leben und versucht herauszufinden, warum die Mutter oft unglücklich war und doch ihr Leben nicht ändern konnte oder wollte. Janni hat jedoch nur ihre Kindheitserinnerungen und die Erzählungen ihrer Mutter sowie einige Fotos und kleine Erinnerungsstücke, mit deren Hilfe sie versucht, eine Chronik zu erstellen.

So beginnt die Geschichte mit Großvater Johann Peersen, den Janni nie kennengelernt hat. Im März 1887 kommt der 23jährige Maurer Johann in Kiel an – im Gepäck ein Bündel mit seinen Habseligkeiten, knapp 5000 Goldmark in der Tasche … und einen Traum vom Häuserbauen. Er lernt die Witwe Luise Jespen kennen, die ihm eine Unterkunft bietet. Sein Traum verwirklicht sich durch die Heirat mit der ungeliebten Frieda Ossenbrück. Irgendwann verliebt sich Johann Peersen in die junge Marie Steffen – Mariannes Großmutter – die er kurz nach Friedas Tod heiratet. Marie führt ein nicht immer einfaches Leben an der Seite des autoritären Johann. Ihren Traum vom Entwerfen und Schneidern von Kleidern muss sie im Laufe der Jahre begraben. Als sie bei der Geburt ihres 13. Kindes stirbt, bleibt Christine nichts anderes übrig, als für die jüngeren Geschwister zu sorgen. Vater Johann will es so. Christine ist zu dem Zeitpunkt 17 Jahre jung und hat nur einen Wunsch: Sie will Lehrerin werden. Auch sie muss unter der despotischen Herrschaft des Vaters ihren Traum begraben. Sieben Jahre später heiratet der Vater noch einmal, und so ist für Christine kein Platz mehr und so bewirbt sie sich auf ein Stellenangebot als Hausdame bei dem Juden Dr. Keune und reist mit wenigen Habseligkeiten nach Stendal. Dort lernt sie nach einigen Jahren einen Freund Dr. Keunes, den staatenlosen Russen Sascha Lewkin kennen. Sie heiratet ihn, obwohl er keinen Hang zur geregelten Arbeit hat. Mit viel Energie und eisernem Willen eröffnet sie in Stendal ein Feinkostgeschäft mit Kieler Fischspezialitäten. Die Geschäfte gehen gut – sogar über die Grenzen Stendals hinaus. Sechs Monate nach der Geschäftseröffnung wird Tochter Marianne geboren. Christine unterstellt ihrem Mann diese Schwangerschaft als Absicht, weil er kein „Krämer“ sein will und somit hofft, dass das Kind auch Christine „zur Vernunft“ bringt. Als die Nazis dann das Sagen haben, wird – nicht ohne ungewolltes Zutun ihres Mannes Sascha – Christine auch dieser Traum zerstört. 1945 flieht die durch ihre Heirat ebenfalls staatenlose Christine mit Tochter Marianne nach Göttingen zu ihrer Schwester.

Nach dem Tod ihrer Mutter beginnt nun Marianne, die Geschichte der Familie zu recherchieren. Was wirklich geschehen ist, kann sie nur erahnen, und so baut sie auch ihr Wunschdenken – mal gut, mal schlecht – in das Geschehen ein.

Mit einfühlsamen Worten - auch Kieler und Stendaler Platt wird hin und wieder benutzt -, die der damaligen Zeit entsprechen, erzählt Irina Korschunow eine wunderbare Familiengeschichte, der man gedanklich noch einige Zeit nachhängt – auch wenn man das Buch schon längst beendet hat. Eine Empfehlung für alle, die gerne in das Leben vergangener Jahrhunderte eintauchen wollen.

 

Irina Korschunow (* 31. Dezember 1925 in Stendal; † 31. Dezember 2013 in München) wurde hauptsächlich als Autorin von Kinderbüchern bekannt, erhielt aber ebenso Auszeichnungen für ihre Romane und Drehbücher. 'Glück hat seinen Preis' ist ihr erster Roman und enthält einige autobiographische Züge.