Rezension

5 Sterne

Das Lavendelzimmer - Nina George

Das Lavendelzimmer
von Nina George

Ein Trostbuch...besonders für alle Bücher-Verehrer!

Nina George ist vielen wohl eher unter dem Namen Anne West bekannt, denn unter diesem Pseudonym veröffentlichte die im Jahr 1973 geborene Journalistin, Schriftstellerin und Kolumnistin Sachbücher zu Liebe, Sexualität und Erotik. So gilt sie derzeit als erfolgreichste deutschsprachige Erotika-Autorin. Aber auch außerhalb des erotischen Bereichs kann sich ihre schriftstellerische Leistung durchaus sehen lassen. Für ihren Roman Die Mondspielerin wurde Nina George mit dem DeLiA 2011 ausgezeichnet. Mit der Kurzgeschichte Das Spiel ihres Lebens gewann sie den Friedrich-Glauser-Preis 2012 und mit Das Licht von Dahme war sie 2010 nominiert. Anfang Mai 2013 kam ihr neuer Roman Das Lavendelzimmer heraus, der einmal mehr ihre Qualitäten zeigt.
In diesem 384-seitigen Roman geht es um den in Paris lebenden Buchhändler Jean Perdu, der auf seinem Bücherschiff, der literarischen Apotheke, jegliche Bücher aufbewahrt und versucht, sie an die passenden Menschen zu bringen. Jede Krankheit der Seele vermag Jean zu erkennen und mit seinen Büchern zu lindern. So verordnet er seinen Lesern die Bücher wie Medizin. Denn
„[e]in Buch ist Mediziner und Medizin zugleich. Es stellt Diagnosen und ist Therapie. Die richtigen Romane mit den passenden Leiden zusammenzubringen: Das ist die Art, wie ich Bücher verkaufe“, 
beschreibt Jean Perdu. Nur sich selbst vermag er nicht zu heilen, seit dieser einen Nacht vor einundzwanzig Jahren, als die schöne Südfranzösin Manon ihn verließ, während er schlief. Nur einen Brief hatte sie hinterlassen, welchen Jean seitdem nie zu lesen gewagt hatte. Als er in diesem entscheidenden Sommer wieder auf Manons Brief gestoßen wird, stürzen ganze Wolkenbrüche über ihn ein, Stürme brechen aus und die Welt um Jean Perdu scheint sich neu zu ordnen. So beginnt für ihn eine lange Reise: durch duftende Lavendelfelder, über Stadtgrenzen hinweg und vor allem in sein tiefstes Selbst. Dabei kommt so einiges ans Licht, was Jean Perdu nie für möglich gehalten hätte. Warum war der Inhalt des Briefes so viel anders, als Jean es erwartet hatte?

Jean Perdu nimmt den Leser mit auf eine ganz besondere Reise. Auf dieser wird dem Leser zum einen die wunderschöne Landschaft des südlichen Frankreichs nähergebracht. Denn Nina George besitzt die Gabe, Naturbilder mit einer unglaublichen Eindringlichkeit und Echtheit zu beschreiben. Zudem führt den Leser die Reise des Jean Perdu durch die Welt der Bücher, durch die Welt der Liebe… ja im Prinzip durch das Leben.
Immer wieder finden sich Bezüge auf andere literarische Werke, auf bekannte Autoren und auf berühmte Romane, was von einem großen Literaturhorizont der Autorin zeugt. Sie kreiert Wortneuschöpfungen und philosophiert auf eine angenehme Weise über deren Sinn und Bedeutung. Der Roman Das Lavendelzimmer ist weiterhin auf angenehm leichte Weise unglaublich lebensklug. Die Autorin sinniert über das Leben, über Angst, Gewohnheit, Träume oder den Tod. Ein jedes dieser Phänomene vermag sie mit beschwingten Worten ihren Romanfiguren so in den Mund zu legen, dass der tiefere Sinn dieses Romans dem Leser meist im Vorbeigehen auf die Schulter springt. Doch kann über diesen tieferen Sinn nur gegrübelt werden: das Leben zu lieben, die Zeit zu nutzen, Trauer nicht zu bekämpfen, Liebe zu teilen… es vermittelt im Grunde zu leben!
Auf der anderen Seite aber besticht dieser Roman durch seine charmanten Dialoge, die dem Leser ein Schmunzeln auf die Lippen zaubern und die Romanfiguren sympathisch machen – jede auf seine Weise. Denn exakt herausgearbeitet ist in diesem Roman ein jeder Romancharakter und dennoch verzichtet die Autorin glücklicherweise auf klischeeartige Figurentypen. Die vielschichtigen Charaktere, der mitreißende Schreibstil und die immer wieder aufflammende Spannung in der Geschichte sind diesem Roman eigen.

Insgesamt hält der Leser mit Das Lavendelzimmer einen großartigen Roman in der Hand. Schon bei der äußeren Betrachtung kann der Leser sowohl die tiefgehende Recherchearbeit als auch das Herzblut erahnen, welche in diesen Roman geflossen sein müssen. In meinen Augen ist dies ein Roman von herausragender schriftstellerischer Qualität, der Zeit erfordert, um gelesen zu werden, da er in der Seele nachwirkt. Die positivste Überraschung seit Langem! Bitte unbedingt lesen! So gebe ich voller Überzeugung: 5 Sterne :-)