Rezension

60er Jahre – Zeit des Umbruchs

Meine Sehnsucht ist noch unterwegs - Walter Kaufmann

Meine Sehnsucht ist noch unterwegs
von Walter Kaufmann

Bewertet mit 3.5 Sternen

Walter Kaufmann wollte schon immer reisen. Damit brachte er sich auf dem Internat bereits in Schwierigkeiten – denn die Reisen fanden noch auf dem Papier statt. Als Erwachsener mochte die Zunge schneller sein als die Realität, doch er setzte alles daran, dass seine Träume zur Realität wurden. So bereiste er die Welt, begegnete Menschen, erlebte bedeutsame Ereignisse live mit und vor allem blieben ihm Einzelschicksale seiner Begegnungen im Gedächtnis. In diesem Buch lässt er sie noch einmal Revuepassieren.

Ein Buch, das einen Reisebericht verspricht, aber ein Blitzlichtgewitter an Schicksalen und Begegnungen, Zeitgeschehen und Eindrücken liefert. Nicht schlecht, aber man muss sich von seiner Erwartungshaltung verabschieden. Nach kurzen Episoden in Japan und Irland konzentriert sich der Autor auf Amerika. Zeitraum sind die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts. Rassenhass trifft auf die Toleranzpolitik, Rezession auf Träume, Realität ersetzt die Vorstellungen. Ein bisschen gestört hat mich, dass die Grundstimmung dieser Kaskade an persönlichen Erlebnissen negativ ist. Gescheiterte, desillusionierte Leben, überschattet von einer düsteren Vergangenheit und einer Gegenwart, die alle Werte neu definiert – so schnell, dass die Menschen sich haltlos fühlen.

Das Buch ist nicht schlecht. Es ist aber nicht das, was ich erwartet habe. Die Texte sind zusammenhanglos. Ein Blitzlichtgewitter, das schmale Ausschnitte aus dem Leben unterschiedlichster Menschen erhellt – leider oft sehr düster. Sehr interessant sind die geschichtlichen Ereignisse, die dem Leser hier aus der Perspektive normaler Menschen begegnen. Überlebende von Hiroshima, Alltag mit der IRA in Irland, Umbrüche in Amerika durch die Gleichstellung von Schwarz und Weiß und zum Schluss noch ein Eindruck vom Amerika nach 9/11. Leider liegt der Fokus des Buches auf dem Amerika der 60er statt einen breitgefächerten Eindruck der weiten Reisen des Walter Kaufmann zu geben.

Fazit: Das Buch gibt einen interessanten Einblick ins Zeitgeschehen Mitte des 20. Jahrhunderts, doch ein Reisebericht liegt hier nicht vor. Gut zu lesen, informativ, mir aber zu düster.