Rezension

A choice is a choice is a choice

Geister
von Nathan Hill

Bewertet mit 5 Sternen

Dass ein Buch mich vergnügt, regelrecht, von vorne bis hinten, passiert wirklich, wirklich selten. Die "Geister" sind sicherlich nicht Weltliteratur, aber supergute Unterhaltung. Leseempfehlung !

Nathan Hill erzählt in „Geister“, die Geschichten einer Vielzahl von Personen. Dabei geht es, wie meist, um die Vergangenheit, beziehungweise darum, wie die Vergangenheit die Gegenwart berührt und wie gegenwärtiges Leben das Resultat früherer Entscheidungen ist.

Der Autor stellt die Geschehnisse auf zwei Zeitebenen dar, ein Zeitstrang spielt 2011, einer im Jahr 1968. Einer Spindel gleich umdreht er das Zentrum seiner Geschichte, ständig wechselt dem ortstreuen Leser das entworfene Bild, es ist als ob er von einem Fixpunkt aus, einen sich immerfort, langsam, fast unmerklich drehenden Planeten beobachtet, so sieht er immer einen neuen Ausschnitt derselben Geschichte. Man fragt sich als Leser nämlich oft, wie bin ich dahin gekommen, zu der Geschichte jetzt dieser neuen Person? Der Planet hat sich weitergedreht, so ist er dahingekommen.

Der Autor nimmt sich Zeit. Das ist heute nicht mehr selbstverständlich. Doch er hat es gewagt, zu erzählen, und nicht atemlose Action an Action zu reihen, was der Lesekonsument in der schnelllebigen Moderne fast zwingend verlangt. Er hat Hauptpersonen und Nebenfiguren geschaffen, die nur ein kleines Stückchen roten Fadens in der Hand halten, aber dennoch uns fast ihr gesamtes Leben erzählen und nicht viel weniger Raum einnehmen. Es dauert deshalb geraume Zeit, bis die Leserschaft überhaupt bemerkt, wer die Hauptpersonen eigentlich sind und worin die Geschichte überhaupt besteht. Geht es um einen Mutter-Sohn-Konflikt, wie es eine Rezensentin schreibt? Das ist eine der Komponenten des Buches. Geht es um eine Liebesgeschichte? Das ist eine der Komponenten des Buches. Geht es um Selbstverwirklichung? Das ist eine der Komponenten des Buches. Geht es um Suchtkrankheit? Das ist eine der Komponenten des Buches. Geht es um die Abbildung modernen Lebens? Das ist eine der Komponenten des Buches. Geht es um Gesellschaftskritik? Das ist eine der Komponenten des Buches. Und dabei nicht die schlechteste. Mit so vielen herrlichen Seitenhieben! manchmal in einem Nebensatz: Da haste! Und manchmal in seitenlanger Abhandlung. Ich liebte jeden einzeln davon! Der Autor beweist Esprit, beherrscht die Persiflage. Ach, es geht um so Vieles. Um Lebensweisheit. Ums Gelingen, aber mehr noch ums Scheitern. Um Aberglauben und Wahrheit, um Heimat und Verlassenheit. Um Einsamkeit und um Freundschaft. Und um Verrat.

Das Buch hat sogannte Längen. Aber nur deshalb, weil es sich der Autor leistet, seinen Nebenfiguren Raum zu geben und ihnen ein Leben zu verschaffen. Da sind so viele Details in seinem Roman! Die sind ganz große Klasse. In diesen Längen habe ich mich nicht gelangweilt, sondern oft gelacht und wenn nicht gelacht, dann geschmunzelt, mich gewundert oder einfach gesagt: So ist es!

Und zum Schluß blieb mir der Mund offen stehen. Das schafft ein Autor ganz selten.

Was habe ich jetzt über den Inhalt verraten? Nichts. Und so soll es auch bleiben, denn ich will niemandem den Spaß am Entdecken verderben (wie andere).

"Geister" von Nathan Hill ist momentan der angesagteste Roman auf Erden. Und das zu Recht! Er ist sehr hübsch, sehr hipp, weise und lang! Ja, lang ist er! Hill beobachtet unsere moderne Welt sehr genau und ist kreativ bis unter die Haarspitzen. Das Ende macht „Ah“ und ist großes Kino!

Fazit: Treffen Sie eine gute Wahl und lesen Sie "Geister" von Nathan Hill!

Kategorie: Super gute Unterhaltung
Verlag: Piper, 2016

Kommentare

katzenminze kommentierte am 15. Februar 2017 um 10:24

Huch, du warst aber produktiv, liebe wanda! Schwups sind da vier neue Rezensionen. Und diese hier mag ich am liebsten. ^.^ Bin gestern schon wieder im Buchladen drum herum geschlichen...

Naibenak kommentierte am 16. Februar 2017 um 10:01

Minzi! Nicht rumschleichen! EINPACKEN!!!! :D

Naibenak kommentierte am 16. Februar 2017 um 10:00

Hoppla...Wanda, fast hätte ich diese Rezi von dir übersehen o.O Wie schön! Man merkt so toll deine Begeisterung :-) Dass du das Ende so gut findest, wundert mich jetzt ein bisschen. Ich fand's so typisch amerikanisch ;-) Aber es führt letztlich zu einem runden Abschluss! Schöne Rezi! Danke!

wandagreen kommentierte am 16. Februar 2017 um 10:14

Weil es einen doppelten Schluss hat!

Naibenak kommentierte am 16. Februar 2017 um 10:21

Doppelt typisch amerikanisch *lach* ;-)

Arbutus kommentierte am 16. Februar 2017 um 22:02

Obwohl ich dies schon auf einem anderen Planeten kundtat, schließe ich mich meinen begeisterten Vorrednern ob dieser epochalen Rezension an. 

LySch kommentierte am 20. Februar 2017 um 17:14

Hach, um diesen Roman schleiche ich auch bei jedem Buchladen-Besuch herum ;)
Und deine Rezi macht totaaal Lust, sich 1 Woche im Bett zu verkriechen und dieses geniale Buch zu lesen, lesen, lesen! .... :)