Rezension

A dangerous mind?

Sein blutiges Projekt - Graeme Macrae Burnet

Sein blutiges Projekt
von Graeme Macrae Burnet

Bewertet mit 5 Sternen

Im Sommer 1869 macht sich der 17jährige Roderick „Roddy“ Macrae auf zu seinem Nachbarn Lachlan. Im Gepäck ein Spaten und eine Spitzhacke. Als Roddy Lachlans Haus wieder verlässt, liegen dessen Kinder und Lachlan selbst brutal ermordet in der Küche. Roddy gesteht alles, der Fall scheint klar. Doch was steckt wirklich hinter diesen grausamen Morden?

 

Graeme Macrae Burnet begibt sich in diesem Buch auf die Spuren seines Vorfahren Roderick. Der hat im Gefängnis eine Art Tagebuch geführt und seine Erinnerungen aufgeschrieben, zudem hat Burnet die Geschichte mit Aussagen von Zeitzeugen, Zeitungsberichten, Gesprächsprotokollen der Ärzte u.ä. ergänzt. Diese unterschiedlichen Quellen und Schriftstücke wirken aber mitnichten zusammengestückelt, sondern ergänzen sich derart gut, dass ein sensibler und gleichzeitig düster-spannender Thriller herauskommt. Ich war fasziniert von Roddys Bericht, er schreibt feinfühlig und berührend, gleichzeitig aber sehr nüchtern und klar. Seine Herkunft als armer Bauerssohn ohne rechte Perspektive ist beklemmend, die Familiensituation angespannt, der Zwist mit Lachlan dramatisch. Der Autor verrät in einem Vorwort, dass er an Roddys Bericht kaum Hand angelegt hat, somit gibt dieser wieder wie intelligent und klar der Junge einerseits, wie verzweifelt und auswegslos seine Situation andererseits war. Pikant ist dieser Bericht auch insofern, weil sein Geisteszustand immer wieder zur Diskussion steht: kann ein so intelligenter und fügsamer Junge einen brutalen Mord begehen ohne geistesgestört zu sein? Die psychologische Komponente macht ebenfalls einen großen Reiz der Geschichte aus, Roddys Fall zeigt sehr deutlich in welchen Kinderschuhen psychologische Gutachter etc. zu dieser Zeit noch steckten. Burnet lässt zudem immer wieder sozialkritische Töne anklingen, die Kirche hat bei Roddys Schicksal ebenso scheinheilig mitgemischt wie Gutsverwalter und andere Obrigkeiten. Insgesamt gewährt dieses Buch einen deprimierenden, aber keineswegs sensationslüsternen Blick auf ein dramatisches Schicksal eines „unbedeutenden“ Jungen, der irgendwo im schottischen Niemalsland lebte und doch traurige Berühmtheit erlangte. Eine traurige Geschichte, aber hervorragend erzählt.