Rezension

Abenteuerroman mit Sogwirkung

Wenn ich jetzt nicht gehe - María Dueñas

Wenn ich jetzt nicht gehe
von María Dueñas

Bewertet mit 5 Sternen

Ein Spanier, Geldgeschäft und eine undurchschaubare, schöne Frau...

Ein Jahr war es her, dass jene wie Raben gekleideten Amerikanerinnen aus heiterem Himmel in sein Haus in Mexiko-Stadt erschienen waren (...) um ihm seinen Ruin zu verkünden und ihn aus der Bahn zu werfen.

Mauro Larrea hat auf einen Schlag alles verloren. Der Spanier, der vor Jahren als mittelloser Witwer mit zwei Kindern nach Mexiko kam, hatte sich durch harte Arbeit und gewagten Investitionen zu einem der wohlhabendsten Männern des Landes entwickelt.
Und auch jetzt setzt er erneut alles auf eine Karte. Er leiht sich Geld bei einem skrupellosen und abgewrackten Pfandleiher und verlässt Mexiko um in Havannah sein Glück zu versuchen.

600 Seiten die einen ab der ersten Silbe in ihren Bann ziehen und erst mit der allerletzten wieder loslassen!

"Wenn ich jetzt nicht gehe" erzählt eine vielschichtige und unheimlich lebendige Geschichte, mit komplett durchgehendem Spannungsbogen. Jeder weiss, letzteres ist eher selten; irgendwo gibt es doch immer Längen in einem recht umfangreichen Werk. Grade, wenn man vielleicht auch nicht so an Geldgeschäften und der südamerikanischen Wirtschaft interessiert ist. Hier saugt man selbst diese kleinen Passagen auf.

Das liegt zum einen am Schreibstil der Autorin. So etwas ausgefeiltes habe ich selten gelesen. Sie beschreibt z.B. ein Billardspiel, bei dem die Stille im Raum greifbar ist, man nur noch leises atmen und rascheln hört... Bis man bemerkt, das man selbst die Luft anhält und ganz genau die Bahn verfolgt, die diese Kugel grade nimmt. Und dabei habe ich doch eigentlich überhaupt nichts übrig für Billard.... Das war schon ganz großes Kopfkino und eine der beeindruckensten Stellen in einem durchweg beeindruckendem Buch.

Es ist dieser Schreibstil, der auch das Setting so spannend macht. Exotische Kulissen sind immer toll, aber hier spürt man die Hitze der Stadt, das pulsierende Leben. Man erfährt die unterschiedlichen Gesellschaftsschichten der damaligen Zeit hautnah. Und das alles aus der Sicht eines Mannes, aus seiner alleinigen Sicht.

Auch das macht diesen Roman aus. Die Charaktere. Mauro ist kein Hochstapler oder Großkotz, der nur ans schnelle Geld denkt und dafür über Leichen geht. Er ist ein sehr sympathischer Mensch, ein Familienvater, dem das Leben oft übel mitgespielt hat und dem man seinen Erfolg wünscht. Es gibt sehr interessante Weggefährten und undurchschaubare starke Frauen. Selbst die Vielzahl an Nebenfiguren sind hervorragend ausgearbeitet. Jede hatte für mich ein Gesicht. Man hat sie beim Lesen direkt vor Augen und dadurch fiel es auch nicht schwer den Überblick zu behalten.

Fazit: Für alle, die eine großartig erzählte Geschichte lieben. Die sich von einer Autorin mitnehmen lassen, egal wohin der Weg auch führt. Ich habe mich sehr gerne an die Hand nehmen und von Dingen begeistern lassen, die ich so nicht erwartet hätte ~ mein Lesehighlight 2017!

Ich bin froh, mich von dem deutschen Titel - den ich auch im Nachhinein sehr schlecht gewählt finde - nicht abschrecken lassen zu haben und freue mich darauf mehr von Maria Duenas zu lesen.