Rezension

Abgefahrene Idee, toll erzählt mit kindgerechten Botschaften

Der magische Faden - Tom Llewellyn

Der magische Faden
von Tom Llewellyn

Bewertet mit 4.5 Sternen

"Der magische Faden“ von Tom Llewellyn ist eine spannende, teilweise unheimliche, sehr gut erzählte Kindergeschichte mit lebensnahen Protagonisten, in der spielerisch Wissen über die griechische Mythologie und naturwissenschaftliche Zusammenhänge vermittelt wird. Ich habe das Buch im Urlaub gelesen und fand es überraschend gut.

Was mir hier besonders gefällt, sind die Charaktere, die feinfühlig gezeichnet und mit menschlichen Macken ausgestattet sind. In Ich-Erzähler Markus wird sich der oder die eine oder andere bestimmt wiederfinden. Markus ist nah am Wasser gebaut und weint bei geringsten Anlässen, weshalb er es in der Schule nicht leicht hat, geärgert und gemobbt wird. Sein jüngerer Bruder Lukas ist hingegen ein echter Haudegen, der gerne austeilt und dann erst nachdenkt. Die kleine Schwester Jannie ist hochintelligent, spricht aber nicht. Aster, Markus’ Schulfreundin, hat üble Schlafprobleme. Dabei ist es wie im echten Leben - alles hat seine Ursachen. Und die Kinder hatten es nicht immer leicht, sie alle haben einen familiären Verlust erlitten und sind innerlich aus dem Gleichgewicht.

Ohne zu weit und belastend für die Altersgruppe in die Tiefe zu gehen, strickt der Autor um seine Protagonisten ein außergewöhnliches Abenteuer. Eines Tages nämlich trifft ein geheimnisvolles Päckchen vom totgeglaubten Vater der Geschwister Markus, Lukas und Jannie ein, in dem sich ein komisches Wollknäuel befindet. Diesem scheint eine starke Energie und vielleicht sogar ein echtes Bewusstsein innezuwohnen. Schon bald passieren die seltsamsten Dinge und mysteriöse Besucher treten auf den Plan. Verfolgt der Faden möglicherweise eine Absicht? Will er den Kindern etwas mitteilen?

Es ist ein stellenweiser recht abgefahrener Mix aus Detektivstory, Abenteuer und Fantasy, der ungewöhnlich erwachsen für ein Kinderbuch ist, ein bisschen philosophisch und auf eine kreative, sympathisch-unaufdringliche Weise informativ. Unter anderem erfährt man etwas über die neuere Deutung der Sage von Theseus und dem Labyrinth des Minotaurus und welche Lehre wir daraus ziehen könnten. Diese Botschaft fand ich nicht nur ziemlich lustig, sondern auch sehr passend für ein Kinderbuch. Letztendlich geht es darum, dass niemand perfekt ist und jeder seine Fehler hat. Ein netter Einfall hierbei: Nicht nur nimmt die Handlung Bezug zur klassischen Heldenreise, sondern gleicht dieser auch selbst ein wenig, da die Kinder eine beachtliche Entwicklung hinlegen und an den Ereignissen merklich reifen. Sie bestehen ein Abenteuer, lernen einiges über sich selbst und wachsen zu einer kleinen Gemeinschaft zusammen, in der jeder den anderen - so wie er ist - akzeptiert.

Spannend erzählt und stellenweise humorvoll, fällt es  unwahrscheinlich leicht, in die Handlung zu finden, da sich der Autor nicht mit langen Erklärungen aufhält, sondern - ideal für die Altersgruppe - direkt einsteigt und Informationen dann nach und nach einfließen lässt. Den anschaulichen Schreibstil, der Ereignisse nicht runterleiert, sondern sie spürbar macht und den Leser gekonnt an die Hand nimmt, mochte ich sogar so gerne, dass ich schon nach weiteren Veröffentlichungen des Autors gegoogelt habe. Es wird also sicher nicht mein letztes Buch von Tom Llewellyn gewesen sein. Sollte "Der magische Faden" eine Fortsetzung nach sich ziehen, würde ich mich freuen. Das Ende wirkt zwar abgeschlossen, eine Serie wäre aber durchaus denkbar, da (buchstäblich) einige lose Fäden bleiben.