Rezension

"Abschied für immer und nie" von Amy Reed

Abschied für immer und nie
von Amy Reed

Bewertet mit 4 Sternen

Der Inhalt
"Mal im Ernst, Evie, was haben wir schon zu verlieren?" Was die krebskranke Evie noch will, ist eine letzte Reise. Noch einmal das Adrenalin in den Adern spüren. Noch einmal auf den Rat ihrer Freundin Stella hören: Lebe wagemutig. Aber die Flucht aus der Klinik wird alles verändern? Evie fällt es unsagbar schwer, in die Welt der Gesunden zurückzufinden. Bis sie Marcus trifft. In seiner Nähe fühlt sie sich lebendig. In seinen Exzessen, seinen fantastischen Höhenflügen. Nur ahnt sie nicht, dass sie nur einen Schritt vor dem Abgrund steht?

Die Autorin
Amy Reed, geboren und aufgewachsen in und um Seattle, hat vor ihrem 18. Lebensjahr acht Schulen besucht. Die häufigen Umzüge haben sie rastlos gemacht. Nach dem Abschluss der Film-Hochschule in San Francisco hat sie ihren Master in Creative Writing

Meine Meinung
Ein Krebsbuch... Ein mancher mag vielleicht jetzt denken "nicht schon wieder", die anderen können nicht genug davon bekommen. Und obwohl seit einiger Zeit der Markt von Büchern dieser Art fast überschwemmt wird, so unterscheiden sich die Geschichten doch immer wieder voneinander. Doch Abschied von immer und nie hebt sich von der Masse stärker ab als auf den ersten Blick angenommen.

Die erste Hälfte des Buches verfolgt noch das übliche Schema. Evie hat Krebs und liegt auf der Kinder-Onkologie des städtischen Krankenhauses, gemeinsam mit Stella, die ebenfalls an Krebs leidet. Doch Stella ist etwas Besonderes und lässt sich nicht von ihrer Krankheit unterbuttern. Immer wieder stachelt sie Evie dazu an, ihr Leben zu leben, auch mit ihrer Krankheit. Doch nachdem die Beiden sich nachts aus dem Krankenhaus fortgeschlichen haben, um den Abend unter freiem Himmel zu verbringen, geht es Stella immer schlechter. Sie stirbt. Und Evie bleibt mit Schuldgefühlen zurück.

Als dann bei ihr auch noch festgestellt wird, dass ihr Krebs wie durch Zauberhand verschwunden ist, fällt Evie in ein tiefes Loch. Warum darf sie leben, während Stella sterben musste. Hinzu kommt, dass Evie nicht mehr weiß, wer sie ist. Alle sehen in ihr nur das Krebsmädchen, das eine Wunderheilung erfahren hat, doch genau die will Evie nicht mehr sein. Sie fühlt sich verloren und nimmt den einzigen Ausweg, den sie sieht: sie kapselt sich von ihrer Familie und ihren Freunden ab, beginnt illegale Drogen zu nehmen und missbraucht die ihr verordneten Medikamente.

Abschied von immer und nie zeigt auf, welche schwerwiegenden Folgen es haben kann, wenn man mit dem Leben bereits abgeschlossen hat und plötzlich doch eine zweite Chance bekommt, aber nicht weiß, wie man sie nutzen soll. Man selbst hat mit seinem Leben abgeschlossen und auch alle anderen um einen herum haben sich auf eine Zeit ohne diesen Menschen eingestellt. Wo ist der Platz für diesen Menschen, wenn sich das Blatt wieder wendet?

Hinzu kommt der Mut von Amy Reed, sich mit dem Thema Medikamentenmissbrauch bei Schwerstkranken auseinander zu setzen. Sie hat es geschafft, die Gedanken, Gefühle und Beweggründe für Evies Verhalten plausibel darzustellen. Obwohl ich immer der Meinung war, dass man sich in einem solchen Fall doch glücklich schätzen sollte, konnte ich auch ihre Probleme gut verstehen. Meiner Meinung nach ein Glanzstück der Autorin.

Mit den Charakteren kam ich durch die Bank weg wunderbar klar. Und am meisten gewundert hab ich mich darüber selbst, denn normalerweise kann ich mit Selbstmitleid ja gar nicht und um ehrlich zu sein: Evie ist die Königin des Selbstmitleids. Aber Reed hat die Beweggründe einfach wunderbar aufgezeigt und Evies Gefühle nachvollziehbar dargestellt. Das Herzstück war für mich Stella und das, obwohl die nur in der ersten Hälfte des Buches eine aktive Rolle spielt. Doch Evie schreibt ihr auch nach ihrem Tod Briefe, womit sie weiterhin Teil der Geschichte bleibt. Evis Familie weist von jeder Charaktereigenschaft etwas auf. Während ihre Mutter sich von Evie auf der Nase rumtanzen lässt, da sie einfach nur froh ist, ihre Tochter nicht zu Grabe tragen zu müssen, platzt ihrem Vater doch ab und an mal der Kragen.

Einen Punkt ziehe ich aus zweierlei Gründen ab. Zum einen hab ich mich über die komplette Länge des Buches gefragt, wie es sein kann, dass eine 17-Jährige, der man bereits geraten hatte, sich aufs Sterben vorzubereiten, plötzlich krebsfrei aus dem Krankenhaus schlendert. Zwar war dieser Umstand für die Geschichte weniger wichtig und wahrscheinlich hat die Autorin keine Erklärung geliefert, weil es sowas ja eigentlich auch nicht gibt. Trotzdem hing diese Frage wie ein Wolke über der ganzen Story.

Ebenfalls nicht überzeugen konnte mich das Ende. Es bleibt offen und sowas kann ich ja leiden wie Karies. Aber bei einem solchen Buch empfand ich das noch als viel schlimmer. Was haben denn alle gegen ein gut geregeltes, durchdachtes Ende? Ich werds nie verstehen....

Mein Fazit
Amy Reeds Geschichte über die 17-jährige Evie unterscheidet sich doch gravierend von anderen Krebsbüchern und schafft es trotzdem, den Leser in seinen Bann zu ziehen. Anders als gewöhnlich geht es mal nicht ums Sterben, sondern um das Leben, das genauso schwierig sein kann. Trotz der ein, zwei kleinen Negativpunkte war es eine tolle Geschichte. Abschied von immer und nie ist eine gefühlvolle Geschichte, die zum Nachdenken anregt.