Rezension

Absolutes Must-Read!

Godspeed, Die Reise beginnt - Beth Revis

Godspeed, Die Reise beginnt
von Beth Revis

Inhalt

Auf der Suche nach erneuerbaren Energien wird eine Expedition zu einem 300 Jahre entfernten Planeten gesandt. Genau 100 Menschen werden eingefroren, um die Kolonialsierung der Zentauri-Erde anzuführen, darunter solche vom Militär, Spezialisten auf dem Gebiet der Gentechnik und so weiter. Amy ist quasi unnützer Ballast, aber da ihre Eltern eine so wichtige Rolle spielen, darf sie trotzdem mit. Um also nicht von ihrer Familie getrennt zu werden, lässt Amy alles zurück - ihre Großeltern, ihre Freunde, ihren Freund und vor allem ihre Heimat. Die Zukunft ist es wert, behaupten ihre Eltern, doch dann wird Amy 50 Jahre zu früh aufgeweckt, ohne die Hoffnung ihre Eltern je wieder zu sehen und falls doch älter zu sein als sie. Als wäre das nicht genug, wird sie mit einer Anarchie konfrontiert, in der kein Platz für sie ist und ein Mörder geht um, der es auf die Eingefrorenen abgesehen hat. Immerhin ist Junior, der zukünftige Anführer der Godspeed, auf ihrer Seite. Werden es die beiden gemeinsam schaffen, den Mörder zu finden, bevor dieser Amys Eltern auf dem Gewissen hat?

Charaktere

Amy ist eine starke Persönlichkeit mit einem ebenso starken Willen. Für ihre Eltern hat sie alles zurück gelassen und dieses Opfer lässt sie auch lange Zeit nicht los. Vor allem nicht nachdem sie so abrupt aus ihrem eisigen Schlaf gerissen wurde. Ganz auf sich alleingestellt, sieht sie sich mit massenhaft Gefahren konfrontiert und lässt sich doch nie einschüchtern. Mit ihrer hellen Haut, den roten Haaren und den leuchtend grünen Augen sticht sie aus der monoethnischen Masse heraus und verzaubert Junior auf der Stelle. 

Junior ist der angehende Kapitän bzw. Anführer der Godspeed. Als solcher ist er ohne Familie aufgewachsen und hat natürlich auch nie das Leben außerhalb des Schiffes kennengelernt. Da ist es wenig verwunderlich, dass er schwer fasziniert von Amy ist. Ihm selbst mangelt es ein wenig an Durchsetzungsvermögen und er muss selbst noch herausfinden, was eigentlich seine Überzeugungen sind. Dafür ist er offen für Neues und durchaus bereit, dazu zu lernen.

Eigene Meinung

"Godspeed - Die Reise beginnt" von Beth Revis ist der Auftakt zu einer Trilogie, die man meiner Meinung nach einfach gelesen haben muss.

>> Es gibt kein Warum, so wie es auch kein Zurück gibt. << S. 441

Der Schreibstil ist nicht sonderlich aufregend, aber sehr schön zu lesen. Dabei gibt gerade dieses "Unaufgeregte" dem Leser das Gefühl, wirklich Teil der Geschichte zu sein, denn so achtet man weniger auf das Geschriebene als auf die Geschichte selbst - zumindest erging es mir so. Die Geschichte wird immer abwechselnd aus Sicht von Amy und Junior aus der Ich-Perspektive erzählt, wobei ich leider ein wenig meckern muss. Denn obwohl man den Charakteren schön nah kommt, ist leider kaum ein Unterschied zu merken, weswegen man manchmal zweimal nachschauen musste, wer gerade tatsächlich "erzählt".

Die Charaktere hinterließen sehr widersprüchliche Eindrücke bei mir. Amy konnte mich durchweg von sich überzeugen. Sie ist tough, aber auch sensibel. Sie hat Stärken und Schwächen, Ecken und Kanten. Ihre Liebe für die Sol-Erde, das Gefühl, in der Godspeed gefangen und erdrückt zu sein, und ihre Wut über die Ungerechtigkeiten an Deck konnte ich wunderbar nachempfinden. Ihre Handlungen waren sowohl durchdacht als auch impulsiv; einfach total authentisch! 
 

>> Alles, was ich jemals geliebt habe, ist jetzt unerreichbar. Alles, was ich jemals wollte. Alles, was ich jemals war. << S. 441

Junior hingegen verblasst angesichts dieser ausdrucksstarken Persönlichkeit. Er selbst ist noch total unausgereift und weiß einfach nicht, was er will, dabei hat er eigentlich von klein auf ein Ziel vor Augen. Er kann sich oft einfach nicht entscheiden und es kommt oft so rüber, als hätte er keine eigene Meinung. Was wirklich schade ist, denn er ist gleichzeitig ein sympathischer Charakter, den man gern haben WILL. Harley und Orion sind Persönlichkeiten, die im Gedächtnis bleiben. Beide sind, meiner Meinung nach, wirklich gut gelungen!
 

>> "Ich kenne Harley. Ich weiß, wie besessen er sein kann. Wahrscheinlich hat er mehr Zeit damit verbracht, die Sterne anzustarren, als die gefrorenen Leute zu bewachen." << S. 230

Die Geschichte ist einfach toll! Ich habe wirklich selten etwas vergleichbar Spannendes gelesen. Vor allem der Genremix kann begeistern, denn so kommen gerade Sci-Fi Skeptiker bei dieser Reise ins All auf ihre Kosten. Dystopie, Thriller, Jugendbuch und Science Fiction - all in one! 

Neben diesem tollen Mix begeistert auch die Authenzität oder zumindest das Gefühl davon. Bei den angesprochenen Themen möchte ich nicht so vermessen sein, zu behaupten, dass ich erkennen kann, ob das alles so stimmt, aber die detaillierte und schonungslose Art, die Revis bei ihren Erklärungen an den Tag legt, wirkt zumindest glaubhaft und darauf kommt es doch wohl an. Wer kann schon sagen, welche Technologie in den nächsten Jahrhunderten auf uns zukommt? Welcher Otto-Normalverbraucher kennt sich mit der medizinischen Versorgung aus, die nötig ist, um eine Einfrierung zu überleben? Mir ging es jedenfalls so unter die Haut, dass mir bei dem Prolog richtig schlecht wurde und ich das Buch wieder weglegen musste.

>> Aber der langen Rede kurzer Sinn - man muss dabei nackt sein, und keiner von beiden wollte, dass ich ihn nackt sah (nicht, dass ich scharf darauf gewesen wäre - igitt, bloß nicht), aber das gab den Ausschlag. Es war das Beste, wenn Mom die Erste war, weil wir die gleichen Körperteile haben und so. << S. 5

Nach dem ersten Schreck geht es dann auch gleich turbulent weiter und in diesem Fall kann man auch ganz unbesorgt den Klappentext lesen, weil es so viele unvorhersehbare Wendungen gibt, dass man damit niemals rechnen würde. Die Spannung wird kontinuierlich aufgebaut und jedes Kapitel endet mit einem Cliffhanger - das Buch selbst witzigerweise so gar nicht. Der große Showdown ist erstaunlich klein, aber nachdem so viel passiert ist, hat mich das gar nicht weiter gestört und ein rundes Ende ist doch auch mal schön.

Die Liebesgeschichte ist schnell, spontan und doch dezent. Es gibt sowas wie einen Blitzstart und danach kühlt es sich merklich ab. Angesichts der dort herrschenden Zustände finde ich es aber auch nur gerechtfertigt, dass sich die Protagonisten auf mehr als nur ihr Liebesleben konzentrieren. Doch vollends überzeugt war ich erst als Amy das Argument bringt, dass die beiden nicht nur zusammen sein sollten, weil sie keine andere Wahl haben. Und auch, dass sich die beiden wirklich zuhören und ausreden lassen - und somit auch vergeben können.

>> Dieses ganze Schiff wurde durch Lügen zusammengehalten, und jeder Einzelne war entweder selbst ein Lügner oder einer, der belogen wurde.

Außer Junior. << S. 441

Entgegen Amys Rationalität ist Junior natürlich hin und weg. Doch wer kann es ihm verdenken? Sie sieht nicht nur anders aus, sie denkt anders, redet anders und handelt anders. Sie rüttelt ihn auf und berührt ihn auf eine Weise, die er so noch nie erlebt hat - weder bei sich selbst, noch bei anderen.

>> Ich habe sie dort liegen sehen, eingefroren in ihrer Glaskiste. Und sie war anders. WIRKLICH anders. Ich würde den Sonnenuntergang auf der Sol-Erde niemals sehen, aber da war er, in ihren Haaren, eingefangen im Eis. Blasse Haut. Und jung. Wie ich. << S. 433

Die Gestaltung ist gut, aber das Cover kann leider nicht mit dem Original mithalten. Dabei ist Grün meine absolute Lieblingsfarbe, aber im Original werden die Sterne, die so eine wichtige Rolle spielen, vielmehr hervorgehoben. Außerdem mag ich diesen Plastik-Schutzumschlag gar nicht - das fühlt sich einfach furchtbar an!

Fazit

"Godspeed - Die Reise beginnt" von Beth Revis hat mich gefesselt, begeistert - einfach völlig aus den Socken gehauen. Frau Revis versteht es meisterhaft, immer wieder einen drauf zu setzen und den Leser zu überraschen. Tolle Charaktere, eine unvorstellbar spannende Geschichte und ein Genremix der Extraklasse machen diesen genialen Trilogieauftakt aus. Ich selbst habe lange "drumherumgeschlichen" und konnte mich nicht entscheiden, ob ich es lesen soll oder nicht. Jetzt frage ich mich ernsthaft wie ich JEMALS zweifeln konnte. Für mich ist es ein klares Must-Read und dies ist der offizielle Aufruf an alle Zweifler: LEST DIESES BUCH! Ganz klare 5/5 Bücher!