Rezension

Äußerst seltsam, aber auf ruhige Art auch sehr schön

Die besondere Traurigkeit von Zitronenkuchen - Aimee Bender

Die besondere Traurigkeit von Zitronenkuchen
von Aimee Bender

Bewertet mit 3 Sternen

Inhalt

Rose ist neun Jahre alt, als sie zum ersten Mal beginnt, Dinge aus Essen herauszuschmecken. Nicht nur kann sie ganz genau bestimmen, von welchem Ort die Zutaten stammen, sie kann auch die Gefühle herauslesen, die ein Mensch empfunden hat, während er das Gericht zubereitet hat.
Von da an ist Roses Leben davon geprägt, Dinge zu wissen und zu spüren, die anderen verborgen bleiben, was nicht immer leicht ist, besonders bei dieser Familie.

Meinung

„Die besondere Traurigkeit von Zitronenkuchen“ war ein Geschenk bei dem ich absolut keine Ahnung hatte, was mich erwarten würde, und noch immer könnte ich nicht sagen, worum genau es geht.
Ein wenig hat es etwas von einem modernen Märchen, wobei ich es trotz Roses übernatürlicher Gaben zumindest nicht als Fantasyroman einstufen würde. Am ehesten ist es wohl ein Familienroman oder einfach nur die Lebensgeschichte von Rose.
Gerade diese Undefinierbarkeit macht das Buch für mich aber auch so besonders

Der Roman ist sehr ruhig und erzählt vor allem am Anfang sehr, sehr gemächlich hauptsächlich Szenen aus Roses Kindheit mit gelegentlichen Rückblicken auf die Vergangenheit ihrer Eltern. Zwischendurch springt die Handlung mehrmals um mehrere Jahre, konzentriert sich aber stets auf denselben Ort und dieselben Figuren: Roses Zuhause und ihre Familie. Mitunter kann das Tempo ermüdend sein, doch mit der Zeit findet man sich in die Geschichte und auch den gewöhnungsbedürftigen Schreibstil ohne Anführungszeichen hinein und entwickelt ein Gefühl für die große Melancholie, die in dieser Familie vorherrscht.

Objektiv gesehen passiert in dem Buch nicht viel. Roses Vater geht zur Arbeit, ihre Mutter hat ebenfalls wieder einen Job angenommen und dort eine Affäre begonnen, von der jedoch nur Rose weiß, ihr Bruder ist ein Naturwissenschaftsgenie mit sozialen Defiziten, zu dem niemand in der Familie eine großartige soziale Bindung zu habe scheint. Und alle leben sie so vor sich hin. Doch durch ihren anschaulichen, einfühlsamen und ein wenig entrückten Schreibstil schafft Aimee Bender es dennoch, dass man sich für die Figuren und ihre Schicksale interessiert und sie und ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten alle gut kennenlernt.

Roses Gabe, die auf einer wirklich interessanten Idee basiert, ist dabei der interessanteste Faktor der Geschichte, denn Aimee Bender beschreibt völlig ernsthaft und (größtenteils) ohne andere übernatürliche Elemente, wie Rose diese Fähigkeit nutzt und wie sie sie aber auch im alltäglichen Leben einschränkt. Dabei beweist sie eine erstaunliche Vorstellungskraft, die es interessant macht, das Buch zu lesen, obwohl sich Roses Leben in immer ähnlichen Bahnen bewegt. Es ist spannend mitzuverfolgen, was Rose alles schmeckt, wie andere Menschen darauf reagieren und wie sie sich mit dieser Fähigkeit, die Fluch und Segen zugleich sein kann, arrangiert.

Zum Ende hin entwickelt sich die Geschichte dann etwas schneller, die Figuren entfernen sich von einander und die Dynamiken zwischen ihnen verändern sich. Dabei kommt es aber auch zu einer Entwicklung, die zwar interessant, aber auch sehr unerwartet und abgedreht war und bei der es meiner Meinung nach mehr Erklärungen und mehr Andeutungen im Voraus gebraucht hätte.
Gleichzeitig bleibt das Buch insofern seinem gemächlichen Tempo treu, dass es zu keinen wirklichen Ende kommt in dem Sinne, dass man das Gefühl hat, es sei nun eine Geschichte zu Ende erzählt worden. Das kann allerdings auch daran liegen, dass das ganze Buch über nicht so ganz klar ist, was für eine Geschichte es eigentlich erzählen will: die einer Familie, die einer Gabe, die von Rose?

Fazit

„Die besondere Traurigkeit von Zitronenkuchen“ ist ein äußerst ungewöhnliches Buch, dessen Ziel bzw. Aussage sich mir beim Lesen nie vollständig erschlossen hat. Dennoch hat es mir aufgrund der interessanten Idee und der einfühlsamen, melancholischen Schreibweise irgendwie zugesagt. Empfehlen würde ich es Fans experimenteller französischer Arthouse-Filme ;).