Rezension

Alice - Follow the White = anders - crazy - verwirrend

Alice - Follow the White - Stephanie Kempin

Alice - Follow the White
von Stephanie Kempin

Bewertet mit 4 Sternen

Alice - Follow the White = anders - crazy - verwirrend
**** 4 (3,5) von 5 Sternen

Vorab:
Meine Rezension stellt keine Inhaltsangabe dar, sondern gibt meine ganz persönliche Meinung wieder, die ich zu einem Buch habe, und was ja auch Sinn und Zweck einer Rezension ist.
Dieses Exemplar wurde mir vom Verlag als Leseexemplar im epub-Format zur Verfügung gestellt.

Das Cover in Kombination mit dem Titel erregte meine Aufmerksamkeit:
Dunkel gehaltener Schachbretthintergrund mit weißem Scherenschnitt-Hasenkopf im Vordergrund, Spielkarten als Rahmen und dem weißen Titelschriftzug.
Die halb hinter dem Hasen versteckte Armbrust(?) entdeckte ich erst auf den zweiten Blick.

Als ich dann die Kurzbeschreibung dazu noch gelesen habe, wusste ich, das muss ich lesen:
„Alles beginnt mit Bettys Beerdigung, wegen der der Unterricht an Miss Yorks Schule ausfallen muss: Auf einmal stört Zoey die Zeremonie, schießt mehrfach auf den Sarg und verschwindet, als wäre nichts gewesen.
Doch wenig später steht Betty aus ihrem Sarg auf und macht sich auf die Suche nach ihrer postmortalen Mörderin.
Sie findet Zoey und macht mit ihr kurzen Prozess.
Ihre besten Freundinnen Alice und Chloe finden Betty, während sie sich noch über die Leiche beugt.
Eigentlich müssten sie Betty verpfeifen, doch schnell beschließen die drei Freundinnen, gemeinsam Hals über Kopf zu flüchten.
Fragen über Fragen bleiben jedoch zurück, wie zum Beispiel, warum Zoey nicht mit echter Munition geschossen hat, die auch Untote zur Strecke bringen kann.
Warum ist Betty noch relativ normal, zumindest für eine Untote?
Was hat es mit Alice' Spiegelsicht auf sich?
Und wohin will sie das verdammt mürrische, weiße Kaninchen mit der Armbrust und dem Welten-Chronografen führen?
Eine rasante Achterbahnfahrt hinein in den Kaninchenbau und durch die Welt zwischen den Märchen, der realen Fiktion, jeder Menge Popkultur und der raffinierten Idee, dass es auch so hätte erzählt werden können, wenn die Erzähler vor ein paar hundert Jahren ein bisschen mehr schwarzen Humor gehabt hätten.“

Ich erwartete eine Mischung aus Tim Burtons "Alice im Wunderland" und "Dark Shadows", vielleicht noch gewürzt mit manch Anderem.
Vorweg: Meine Erwartungen wurden, was dies anbelangt, eigentlich erfüllt.

„Ich habe meine Schwester gegessen. So, jetzt ist es raus. Die große Beichte, die Leiche in meinem Keller. Jetzt dürfen alle schreiend weglaufen - oder sich die Zeit nehmen und noch ein wenig zuhören. Zum Beispiel, um zu erfahren, wie das in Wahrheit passiert ist. Oder warum.“
Das sind die ersten fünf Sätze dieser Story, und mit diesen Sätzen hatte mich „Alice- Follow The White“ bereits schmunzelnd gefangen.

Es ist übrigens die Sicht der Protagonistin Betty, der Freundin von Alice, die in Form von Tagebucheinträgen ihre Erlebnisse und Beobachtungen erzählt.
Der andere Erzählstrang ist neutral in der dritten Person gehalten und hat den Fokus mehr auf Alice, der buchtitelgebenden Protagonistin.
Die Ausdrucksweise der beiden Stränge unterscheiden sich aber nicht nur in der Perspektive, sondern auch an der sprachlichen Gestaltung:
„Unter leichtem Ruckeln senkte sich der Sarg in die Erde.
Außer dem sanftem Wind, der die Blätter zum Rascheln und Alice trotz ihres Mantels zum Frösteln brachte, war kaum etwas zu hören.
Hin und Wieder noch ein gelegentliches Schniefen, oder jemand putzte sich die Nase.
Aber davon abgesehen war auf dem Friedhof still.
Das letzte Amen im Leben von Betty war gesprochen.“

Wie die beiden Textauszüge schon erkennen lassen, ist die Story schön flapsig und locker-flockig geschrieben.
Ich mag diesen Sprach- und Schreibstil zur Abwechslung mal recht gerne, und vor allem zu dieser abgedrehten, verrückten, skurrilen und crazy Story passt er.
Er trug auch dazu bei, mich über die Makel von „Alice – Follow the White“ hinwegzutrösten, ebenso hielt er mich am Weiter- und letztlich Zuendelesen.
Denn die Figuren und Protagonisten sind auch nun nach Beendigung für mich nicht alle greif- und wirklich vorstellbar.

Auch die Handlung und der Fortlauf der Story waren für mich nicht immer logisch und nachvollziehbar.
An den einen Stellen wurde zuviel ausgeführt und wiederholt, nahezu lamentiert, an andere Stelle hätte mehr Ausführung und Erklärung sehr gut getan, um in die Geschichte so richtig eintauchen zu können.
Stellenweise war ich schon sehr verwirrt und die vielen Fragen, die mir durch den Kopf schwirrten, trübten das Lesevergnügen schon ein und viele Fragen bleiben auch bis zum Schluß unbeantwortet.
Nichts desto trotz gefiel mir dieser Roadtrip durch die Länder der Spiegel, der Dämmerung und der Mären und ich würde eine Fortsetzung oder ein anderes Werk der sympathischen Autorin Stephanie Kempin gerne lesen.

Mein Lieblingszitat ist übrigens
„Durchatmen, es wird früh genug wieder lebensgefährlich.“

Trotz einiger Schwächen, fand ich dieses Leseabenteuer mit Alice und Betty und natürlich den anderen Abenteurern sehr interessant und lesenswert.
Die locker flockige Ausdrucksweise und der flapsige mit schwarzem Humor bespickte Schreibstil trösten über die Schwächen gekonnt hinweg und treiben einen zum Weiterlesen an.
Deshalb empfehle ich diese abgedrehte, verrückte und wild genreübergreifende Geschichte allen Märchenfans, weichgespülten WalkingDead- bzw. Zombie-Liebhabern, die auch nichts gegen einen Schuß JamesBond-Action und Mantel- und Degen-Abenteuer haben und das Ganze im Steam-Punk-Design.
Was will das crazy Leserauge mehr?

© JM-MS 03-2017