Rezension

Alice im Wunderland...

Die Achse meiner Welt - Dani Atkins

Die Achse meiner Welt
von Dani Atkins

Bewertet mit 3.5 Sternen

Stell dir vor, du erwachst in einer perfekten Version deines Lebens. Greifst du zu und lebst diesen Traum bedingungslos weiter? Oder fragst du dich, wann deine Welt aus dem Gleichgewicht geriet und was mit deinem alten Leben geschehen ist?

Rachels Leben ist perfekt: Sie hat einen gutaussehenden Freund, einen großen Freundeskreis und wird in wenigen Wochen ihr Studium beginnen. Doch dann geschieht dieser schreckliche Unfall, der ihr alles nimmt, was sie liebt. Rachel zieht sich voller beklemmender Schuldgefühle zurück - denn sie hat nur überlebt, weil ihr bester Freund Jimmy ihr das Leben rettete und dafür mit seinem eigenen bezahlte.
Die Hochzeit ihrer engsten Freundin Sarah lässt Rachel nach fünf Jahren zum ersten Mal an den Ort der Tragödie zurückkehren. Aber die Erinnerungen sind zu viel für Rachel, und sie bricht zusammen. Als sie im Krankenhaus erwacht, traut sie ihren Augen nicht. Ihr Leben ist plötzlich genau so, wie sie es sich immer erhofft hat: Sie hat einen Traumjob und ist verlobt. Und neben ihrem Bett steht Jimmy - kerngesund und mit seinem schönsten Lächeln...

"Ich fragte mich, ob Alice sich auch so ratlos gefühlt hatte, nachdem sie durch den Kaninchenbau ins Wunderland gefallen war." (S. 105)

Diesen Satz kann man nur unterstreichen, denn wie anders soll Rachel sich fühlen? Fünf Jahre nach dem katastrophalen Unfall, bei dem ihr bester Freund ums Leben kam, weil er ihr Leben gerettet hat, kehrt Rachel in die Stadt zurück, in der sie aufgewachsen war. Rachel geht es nicht gut, denn die Schuldgefühle - ihr Leben gegen das von Jimmy - lassen sie am Leben verzweifeln. Gezeichnet von einer auffälligen Narbe im Gesicht lässt sie niemanden mehr an sich heran, ihr Vater kämpft einen aussichtslos scheinenden Kampf gegen den Krebs - und die Erinnerungen an die verhängnisvolle Nacht des Unfalls sind zu viel für sie.
Doch als sie zu sich kommt, ist plötzlich alles anders. Ihr verstorbener Freund steht neben dem Krankenhausbett, ihr Vater ist kerngesund, und sie ist in einer Beziehung, die sie doch vor fünf Jahren nach dem Unfall gelöst hat. Was ist hier also los?!

"Hey, du bekommst jetzt keinen Science-Fiction-Koller, oder?" (S.285)

Die Verwirrung Rachels ist dieselbe, die der Leser empfindet, wenn er in die Geschichte eintaucht. Welcher Wahrnehmung kann man hier trauen? Sich zu kneifen hilft Rachel nicht, sie steckt offensichtlich in keinem Traum fest. Aber was ist es dann?
Sie kann sich genau an die Geschehnisse der letzten fünf Jahre erinnern, weiß wo sie gewohnt hat, wo gearbeitet. Doch niemand aus dem Leben vor ihrer Ohnmacht erinnert sich noch an sie. Dabei kennt sie Details, die sich nicht einfach rational erklären lassen. Dafür wird sie nun mit einer Wirklichkeit konfrontiert, an die sie selbst keinerlei Erinnerungen hat, nur die anderen. Gibt es überhaupt eine Erklärung? Ein Zurück? Und will sie das wirklich?

Dani Atkins schreibt hier in erster Linie eine Liebesgeschichte:

"Wir vergessen nie die eine erste große Liebe."

Doch das große Rätsel um die Vergangenheit verhindert größtenteils, dass die Geschichte ins Kitschige abgleitet. Dabei wird man mit jeder Seite neugieriger, wie sich das ganze wohl auflösen mag. Was ist mit dem alten Leben geschehen?
Rachel sucht verzweifelt nach Antworten. Einer der Lösungsvorschläge hat mich persönlich geärgert, weil das vollkommener Quatsch war - hier hat sich die Autorin offensichtlich zu wenig mit den Hintergründen befasst, oder aber sie hat bei Rachel sowie dem Leser ein so laienhaftes Verständnis des Begriffes vorausgesetzt, dass das den meisten nicht auffallen würde. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich blöder fände. Aber das war nur ein kleiner unstimmiger Baustein, dem im Gefüge der gesamten Geschichte kein zu großer Wert beigemessen werden sollte...

Die Geschichte las sich überaus flüssig, Rachel und einige andere Charaktere wuchsen mir schnell ans Herz - und die Geschichte lebte von der Spannung nach der Auflösung. Diese hat mich letztlich zwar nicht ganz überzeugen können, aber insgesamt hat mir das Buch doch ein angenehmes Lesevergnügen bereitet...

© Parden