Rezension

Alles wird gut

Sungs Laden - Karin Kalisa

Sungs Laden
von Karin Kalisa

Bewertet mit 3.5 Sternen

Der Bestseller von Karin Kalisa ist ein Sommer-Roman mit Tiefgang für jede Lebenslage. Mit Wärme, Witz und Lust an kleinen Wundern erzählt Karin Kalisa von traumhaften Verwandlungen im Berlin unserer Tage. Ausgehend vom kleinen vietnamesischen Laden des studierten Archäologen Sung nimmt eine Völkerverständigung der ganz eigenen Art ihren Lauf. Urberliner und Nachkommen der vietnamesischen Vertragsarbeiter verbünden sich in einer spielerischen Alltagsrevolution: Brücken aus Bambus spannen zwischen den Häusern, Parkwächter tragen Kegelhüte, auf Brachflächen grünt exotisches Gemüse, und ein Zahnarzt macht Sonntagsdienst für Patienten aus Fernost. Das Unglaubliche geschieht: Gute Laune herrscht in der Metropole! Eine Utopie, natürlich. Aber von unserer Gegenwart gar nicht so weit entfernt.

Auch wenn sie zuhause Krieg und Flucht erlebt hatten, auch wenn die ersten Vietnamesen, die in das damalige Ostberlin kamen, als billige Arbeitskräfte unter Aufsicht und Kontrolle der DDR-Regierung standen, hatten sie sich Optimismus und Mut bewahrt. Mit Fleiß, Freundlichkeit und Übersicht führten sie nach der Wende ihre kleinen Läden und Imbisse, die Änderungsschneidereien und Wäschereien im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg.

Irgendein Schreibtischtäter im Schulamt verlangt von den Direktoren seines Bezirks die Organisation einer „weltoffenen Woche“, und so werden Kinder mit Migrationshintergrund, wie man heute sagen würde, aufgefordert, ihr Land bei der Schulveranstaltung vorzustellen. Minh, Sohn von Vietnamesen der zweiten, der in Deutschland geborenen Generation, wendet sich an seine Großmutter Hièn, die letzte aus der Familie, die in Vietnam geboren wurde. Sie tritt mit ihrer traditionellen Puppe Thùy auf und erzählt quasi durch den Mund der Puppe ihr Leben von Vietnam nach Deutschland. Wie ein Stein, der ins Wasser geworfen wird, breitet sich vietnamesische Lebensart aus mit Mode, mit Essen, mit Dekoration. Im Zentrum steht Sungs Laden – er ist Minhs Vater – eine Art Kaufhaus in Wohnzimmergröße, wo dafür gesorgt wird, dass die plötzlich gefragten Artikel aus vietnamesischer Kultur immer in gewünschter Zahl vorhanden sind. Sprachkurse Vietnamesisch-Deutsch und umgekehrt sind voll besetzt, jeder möchte eine Puppe wie Hièn, Bambusbrücken werden über die Straßen gebaut, und als Höhepunkt der Begeisterung lädt man eine vietnamesische Theatergruppe zum Wasser-Puppenspiel ein.

Das klingt nicht nur märchenhaft, das ist es auch. Trotz gelegentlicher Rückblenden in die Zeit des vietnamesischen Bürgerkrieges und des DDR-Regimes hat man von Anfang an das Gefühl: Egal was welche Figur des Romans in die Hände nimmt, es verwandelt sich zu Gold. Sowohl im übertragenen Sinne, denn jeder scheint trotz Schicksalsschlägen und Tod den Schlüssel zur Zufriedenheit zu besitzen, als auch im wörtlichen Sinne, denn alle machen Gewinne, und auch für arbeitslose Jugendliche findet sich eine Chance.

Kalisa hat es geschafft, ein Wohlfühlbuch ohne rosa Zuckerguss zu schreiben, vor allem durch Ihre gelegentlich durchblitzende Ironie, besonders wenn es um deutsche Bürokratie geht, die jeder spontanen öffentlichen Aktion misstrauisch gegenübersteht und allem, was anders ist als es immer war. Doch sogar hinter der Bürokratie können liebenswerte Menschen stecken.
Am Ende macht die Autorin ihr Buch rund: Sie greift zwei Motive des Anfangs nochmals auf, die Puppe und Vietnam.