Rezension

Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte

Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte - Anna Basener

Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte
von Anna Basener

Bewertet mit 4 Sternen

Vorab:

Die Autorin Anna Basener hat ihr Studium mit dem Schreiben von Groschenromanen finanziert und sogar einen Leitfaden publiziert. Das finde ich einfach klasse! Außerdem ist die Umschlaggestaltung des Romans außerordentlich gelungen, denn sie verweist auf die eigentliche story. Form und Inhalt passen ideal zusammen, was will man mehr.

Worum geht’s im Roman?

Bianca, die Germanistik studiert hat, lebt in Berlin in einer WG und designt Unterwäsche. Wie so viele Frauen ihrer Generation hangelt sie sich durch’s Leben. Ein ganz anderes Kaliber ist ihre „Omma“ aus dem Ruhrpott: Als Wirtschafterin und Putzfrau in einem als Hotel getarnten Bordell bekam sie fünf Kinder von drei Männern und wurde früh zur Witwe. Als ihre beste Freundin, die dürre Prostituierte Mitzi, vom Zuhälter fast totgeprügelt wurde, machte die Omma kurzen Prozeß, erschlug den Luden mit einer Flasche Korn und fackelte anbei die ganze Bude ab.
Bei Mitzis Beerdigung sehen sich die Omma und Bianca wieder, aber Bianca kommt das alles Spanisch vor, insbesondere, als die Omma bei ihr in Berlin einzieht ...

„Als die Omma den Huren noch Taubensuppe kochte“ von Anna Basener hat mich super unterhalten, und die feministischen Elemente haben mir gut gefallen. Die Geschichte liest sich flott und die Figuren sind gut ausgestaltet, durch die Verschriftlichung vom Ruhrpottslang wirkt das Ganze auf mich authentisch. Omma ist einfach eine Marke, ein Freigeist und kein verhuschtes Kind ihrer Zeit.
Bianca ist eine moderne Frau: Von der Peripherie ist sie nach Berlin gezogen, sie ist lesbisch und intelligent, arbeitet aber nicht in ihrem eigentlichen metier, der Germanistik, sondern schlägt sich als „Schlüppi“ – Näherin durch’s Leben. Obwohl es Biancas Generation vordergründig leichter hat als die Generation ihrer Großmutter, wird Bianca von ganz eigenen Sorgen geplagt, bei allen Erfolgen der Frauenbewegung, Women’s Lib und aller Freiheit in einer Metropole, in der jeder (nur theoretisch) alles sein kann. Wahre Gleichberechtigung und Selbstverwirklichung?
Mich hat der Roman wie gesagt gut unterhalten, aber auch zum Nachdenken angeregt. Manche Elemente waren für mich aber vorhersehbar, da die Autorin ein Topos aus der Literaturgeschichte einflicht, dies macht sie aber sehr gut. Kommt da die Germanistin in Anna Basener durch ?
Man kann das Thema Prostitution kontrovers diskutieren, und ich bin nicht sicher, ob ich allen Thesen der Autorin zu dem Thema, das neudeutsch auch „Sexarbeit“ genannt wird, zustimmen würde. Auch waren mir manche Passagen fast ein wenig zu derb. Aber originell ist der Roman auf jeden Fall, und er ist bei aller Situationskomik auch eine Familiengeschichte und er bildet auch ein Stück Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ab. Denn Geschichte wird nicht nur von großen Männern gemacht, und sie ist nicht nur Politikgeschichte, sondern auch Sozialgeschichte, Mikrogeschichte und eine Historie der Frauen und aller gesellschaftlichen Schichten. Regionalgeschichte ist auch ein spannendes Feld – hallo Ruhrgebiet!

Fazit:
Ich spreche eine Leseempfehlung aus, seine Meinung muss sich aber jeder Leser selbst bilden.