Rezension

Alte Geschichten - noch immer aktuell

Junge Liebe zwischen Trümmern - Hans Fallada

Junge Liebe zwischen Trümmern
von Hans Fallada

Bewertet mit 5 Sternen

Mit der zum 70. Todesjahr des 1947 verstorbenen Schriftstellers veröffentlichten Biographie „Hans Fallada“ des Literaturwissenschaftlers Peter Walther (52) krönte der Aufbau-Verlag die bisherige Reihe seiner seit 2011 erscheinenden Neuausgaben. Im Januar folgte nun zu Falladas 125. Geburtsjahr der von Peter Walther herausgegebene Sammelband „Junge Liebe zwischen Trümmern“ mit 27 bisher unveröffentlichten oder einst nur einmal in einer Zeitschrift abgedruckten Erzählungen Falladas. Wie seine Romane zeigen auch die in diesem Band gesammelten Kurzgeschichten sowohl Falladas literarischen Blick auf das Leben des „kleinen Mannes“, geben uns zugleich aber auch ein Einblick in die Zerrissenheit, Ziellosigkeit und Haltlosigkeit des genialen Autors, der zeitlebens unter Depressionen, Alkohol- und Drogensucht litt, bis er 1947 an deren Folgen starb. Obwohl Fallada sich eher als Roman-Schreiber sah und die meisten seiner Kurzgeschichten nur zur schnellen Geldbeschaffung verfasste, spiegeln sie doch ein vielfältiges Lebensbild der deutschen Gesellschaft in den Vorkriegs- und Kriegsjahren. Wie die Romane sind auch seine Erzählungen eine Mischung aus Erlebtem, Erfahrenem und Erfundenem. Wirklich bedeutsam wird dieser Sammelband vor allem durch das biographisch und literarisch interessante Nachwort des Herausgebers. Man sollte es zum besseren Verständnis der Erzählungen einmal vor deren Lektüre und noch einmal danach lesen. Darin analysiert der Herausgeber, wo und wie viel Autobiographisches tatsächlich in Falladas Erzählungen steckt. Bücherfreunden dürften die Geschichten „Warnung vor Büchern“, „Meine Ahnen“ oder auch „Ein Roman wird begonnen“ besonders gefallen, in denen Fallada seinen Werdegang zum Schriftsteller beschreibt. Emotional besonders berührend ist die Erzählung „Vom Entbehrlichen und vom Unentbehrlichen“, in der eine Freundesgruppe sich über die mangelnde Versorgung während der Kriegsjahre unterhält, eine Mutter aber gern auf alles Materielle verzichten würde, hätte sie ihren an der Front kämpfenden Sohn zurück. Anrührend ist „Ich, der Findling“, die Geschichte eines Zwölfjährigen, der, auf der Flucht vor den Russen von der Mutter verlassen, in den Kriegswirren nun auf sich allein gestellt ist und sich seinen heimatlichen Bauernhof mit Wohnhaus, Ställen, allen Tieren und seinen im Krieg vermissten Vater in Miniaturformat schnitzt. Beindruckend ist schließlich Falladas Lebensbeichte „Meine lieben jungen Freunde“. Diesen ebenfalls bisher unveröffentlichten Aufsatz schrieb der Schriftsteller in den Weihnachtstagen 1946 für den literarischen Verein seines Sohnes Uli. Es war die letzte literarische Arbeit des Autors. Mögen Falladas Geschichten schon vor Jahrzehnten geschrieben sein. Sie verlieren nie an Aktualität, denn sein „kleiner Mann“ lebt zu allen Zeiten, weshalb auch diese bisher unveröffentlichten Erzählungen unbedingt lesenswert sind.

Kommentare

Brocéliande kommentierte am 10. Januar 2018 um 15:39

Das Buch ist mir vor Kurzem schon einmal begegnet und als Fan von Hans Fallada (wenn auch nur bisher "Kleiner Mann - was nun?" vor Jahrzehnten begeistert gelesen, kommt es jetzt auf meine Merkliste. Danke für die Rezension und LG!

Brocéliande