Rezension

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Alte Verbrechen und neue Taten

Silent Scream  - Wie lange kannst du schweigen? - Angela Marsons

Silent Scream - Wie lange kannst du schweigen?
von Angela Marsons

Bewertet mit 3 Sternen

Eisig glitzert der Frost auf der tiefschwarzen Erde des Black Country, als die Geräte der forensischen Archäologen den Fund menschlicher Überreste anzeigen und Detective Kim Stone den Befehl zur Grabung erteilt. Nur wenige Schritte entfernt, aber im Nebel doch kaum sichtbar, liegt das verlassene Gebäude des Kinderheims. Eine der ehemaligen Angestellten ist bereits tot, und auch das Leben der verbliebenen hängt am seidenen Faden. Kim ist überzeugt, dass die Lösung des Falls im lehmigen Boden begraben liegt, doch um ihm auf den Grund zu kommen, muss sie sich den Dämonen ihrer eigenen Kindheit stellen. Und noch ahnt sie nicht, was sich in Crestwood zugetragen hat und mit wem sie sich anlegt.

Ein neues Ermittlerteam betritt die an Ermittlerteams nicht gerade arme englische Bühne. Kate Stone, die Chefin mit der Liebe zu Motorrädern, der traumatischen Kindheit und der unkontrollierten Schlagfertigkeit, ihr zur Seite Sergeant Bryant, intelligent, ruhig und korrekt.

Morde werden begangen und alte Leichen gefunden; so wie es aussieht, hängen die Fälle zusammen und nahmen ihren Anfang in einem inzwischen abgebrannten Kinderheim, auf dessen Grundstück Skelette von Mädchen ausgegraben werden.

Der Fall ist schlüssig aufgebaut, spannend geschrieben und wegen der kurzen Kapitel schnell hintereinander weg zu lesen. Die Personen sind klar umrissen, Kate leicht überzeichnet, und auch die Grenze zwischen Gut und Böse, Schwarz und Weiß ist sehr gerade und dick gemalt.

Der Anfang wirkt sprachlich unbeholfen; die Autorin verwendet gerne Füllwörter, führt Unwichtiges an und wälzt Szenen breit aus. Dabei begeht sie auch Kardinalfehler, indem sie zum Beispiel einen unnötigen Konflikt Kates mit einem Kollegen einer anderen Dienststelle einführt, der kein zweites Mal eine Rolle spielt. Oder dass ein alter Fall nur anfangs einmal geschildert und dann nie wieder erwähnt wird.

Zunächst bekommt man also den Eindruck, Marsons sei eine der Autorinnen im Gefolge von P.D. James, Grimes oder George, die in einigen ihrer Bände fehlende Handlung durch unnötige lange Beschreibungen ersetzen. Doch Marsons bekommt die Kurve besser als manch eine ihrer routinierten Kolleginnen, und die Handlung nimmt Fahrt auf.

Ein gutes Lektorat hätte den mühevollen Start sicher glätten können.

Man müsste inzwischen eher die Krimis besonders hervorheben, die ohne die stupide Held-in-Gefahr-Szene am Ende auskommen. Dieser gehört leider nicht dazu. Um den Protagonisten der Gefahr auszusetzen, denken sich Autoren die merkwürdigsten Gründe aus. Marsons Gründe für Kate halten keiner vernünftigen Überprüfung stand. Der leere Akku des Handys ist sowieso schon obligatorisch. Und warum glaubt Kate, das Gebiss liege in der Ruine und sie müsse es jetzt sofort suchen, wo es wesentlich wahrscheinlicher wäre, wenn es mit verbrannt oder vom Täter weggeworfen wäre? Auch dieses Motiv ist nicht schlüssig. 

Der Mörder kann vielleicht überraschen. Ein geübter Krimileser kann schon vorher darauf kommen. Trotzdem gibt’s am Ende noch eine Pointe, auf die niemand so schnell kommt.

Man darf auf die nächsten Bücher der Reihe gespannt sein.

Peinlich: Der Dank am Ende des Buches, verfasst von der Autorin, wirkt wie eine Eloge auf ihren Verlag. Sechsmal wird allein der Name „Bookouture“ genannt. Man glaubt Marsons ihre Freude, einen Verlag gefunden zu haben. Trotzdem klingt der Ton aufdringlich nach Fernsehwerbung.