Rezension

Ambivalente Protagonistin

Verletzung - Manuela Obermeier

Verletzung
von Manuela Obermeier

Bewertet mit 4 Sternen

"Verletzung" handelt von Toni Stieglitz, die bei der Mordkommission in München arbeitet. Im Beruf zufrieden, weiß sie privat nicht mehr weiter. Nachdem sie jahrelang von ihrem Freund Mike, der ebenfalls Polizist ist, verpürgelt wurde, hat sie nun endlich einen Schlussstrich gezogen. Sie hat den Wohnsitz gewechselt und die Handynummer und vor den Kollegen verheimlicht sie die Trennung. Doch ihren Arbeitsplatz kann sie nicht wechseln, denn gerade treibt ein Mörder in München sein Unwesen, der Frauen brutal ermordet und wie Puppen drapiert. Mit den Ermittlungen kann sich Toni zunächst ablenken, doch Mike scheint sie erneut aufgespürt zu haben und diese Unsicherheit führt unweigerlich in die Katastrophe...

Krimis habe ich zuhauf gelesen, deutsche Krimis haben meist einen bescheidenen Ruf (was ich nur bedingt unterstützen kann), umso mehr hat es mich da gereizt mal in einen Krimi reinzulesen, der von einer Frau (auch Mann wäre natürlich okay gewesen ;-)) geschrieben wurde, die selbst im Beruf eines Kommissars tätig ist. Und ich kann vorweg sagen, dass man das sehr gut merkt. Manuela Obermeier merkt zwar an, dass sie sich gerade bei den pathologischen Aspekte auf Externe verlassen musste, aber das ganze Geschehen wirkt ungeheuer realistisch und nicht einfach nur aalglatt. Die Zustände, in dem sich ihre Kommission befindet, die Beziehungen untereinander, die Ermittlungsweisen, das wirkt alles nicht perfekt, zum Teil chaotisch, aber dadurch wirklich realistisch, so dass man sich in das Szenario wunderbar hineinversetzen kann.

Etwas komplizierter wird es, wenn ich auf die Protagonistin dieses Krimis blicke. Mir gefällt es zunächst, dass sie nicht die Oberchefin ist, dass sie eine unter vielen ist, keinen festen Partner hat und dass so ihre unabhängige Art zu arbeiten rechtfertigen zu ist und dass man ihr Privatleben problemlos einarbeiten kann, ohne, dass dabei andere und anderes zu kurz kommt. Dennoch war mein Verhältnis zu Toni sehr ambivalent. Die private Toni und die berufliche Toni waren zunächst für mich überhaupt nicht übereinander zu bringen. Die private Toni ist zunächst sehr verängstigt, geradezu paranoid, sobald sie aber das Kommissariat betritt, wird ein Schalter umgelegt. Dort ist sie frech, forsch und in ihrem Auftreten sehr dominant. Gerade die letztere Verion von ihr war mir gar nicht sympathisch. Je mehr aber die Seitenzahl voranschreitet, umso mehr rückt sich das Bild wieder gerade. Denn dieser Eindruck, den die berufliche Toni unweigerlich hinterlässt, wird von der Autorin auch reflexiv bearbeitet. Toni sieht ihre Probleme selbst und wird auch von den Kollegen damit konfrontiert. Sie macht zwar keine Totalumdrehung durch, aber man merkt an, dass in Toni unheimlich viel Potenzial steckt.

Der Fall an sich war sehr, sehr unspektakulär. Da lag auch einfach nicht das Gewicht drauf. Stattdessen lag es auf der Art, wie Toni ermittelt und das ist spannend und einfallsreich gemacht. Die Entlarvung des Mörders kommt nicht überraschend und auch seine Motivik geht mehr oder weniger unter. Hier merkt man etwas, dass für einen ersten Band sehr viele Handlungsstränge aufgemacht wurden. Die Stalking-Geschichte war die wichtige und diese Gewichtung war sehr, sehr deutlich zu spüren. Ein klassisch spannender Krimi war dies eigentlich nicht, schon fast eher ein Thriller.

Fazit: "Verletzung" zeiht, dass es von einer Frau vom Fach geschrieben wurde. Gerade die Kleinigkeiten wirken sehr durchdacht und professionell. Die Protagonistin ist sehr widersprüchlich chrakterisiert. Da muss man erstmal mit warm werden. Die Krimigeschichte geht fast schon unter, denn man soll Toni klar durch ihr Privtleben und die Stalking-Geschichte kennen lernen. Dieser Teil ist auch sehr interessant und spannend gemacht und trägt die Geschichte bis zum Ende. Insgesamt also ein höchstens solider Krimi, mit starken Thrill-Elementen, der eine Protagonistin bietet, die sicherlich einiges an Kopfschmerzen bereitet. 4 Sterne für diesen Auftakt!

Kommentare

gaby2707 kommentierte am 06. Februar 2016 um 17:28

Danke für die Rezi.

Ich habe mich gerade heute bei einer Leserunde zu diesem Buch beworben und hoffe nun natürlich, dass ich da mitten darf.