Rezension

Ambrose Bierce ist der „Meister des Unheimlichen“. Leider ist er vielen unbekannt. Zu Unrecht, wie mir scheint.

Horrorgeschichten - Ambrose Bierce

Horrorgeschichten
von Ambrose Bierce

Bewertet mit 3.5 Sternen

In der Kurzgeschichtensammlung „Horrorgeschichten“ des Insel Taschenbuch-Verlags sind 11 Geschichten des Autors vereint, die alle eines gemeinsam haben: den Grusel im Leser zu erwecken. Dabei bedient sich Bierce einer Sachlichkeit, die fast schon an schwarzen Humor grenzt und Freunde dieser Sparte auch ab und zu zum Schmunzeln bringen kann. Dabei sind die Geschichten selbst trotzdem schaurig und öfter mit überraschenden Wendungen gespickt. Heutzutage erscheinen manche Handlungen vielleicht klischeehaft, doch sollte man bedenken, dass die Geschichten zu Zeiten von Poe und Lovecraft entstanden, wo das Genre des Horror und der Fantastik so gut wie unerforscht war und viele Klischees erst durch diese Autoren entstanden sind.

►Eine Straße im Mondschein
Eine Geschichte über den Mord an einer Frau, die aus der Perspektive verschiedener Beteiligter erzählt wird und so am Ende ein klares Bild von den Umständen zeichnet.

►Die Brücke über dem Eulenfluß
Einem Mann, von gegnerischen Soldaten gefangen genommen und zum Tod durch den Strick verurteilt, gelingt in letzter Sekunde die Flucht. Doch dabei stellt sich heraus, dass nicht alles so ist, wie es den Anschein hat.

►Moxons Herr und Meister
Ein Erfinder erklärt seinem Freund das Bewusstsein der Maschinen. Ungläubig von dessen Gedanken lässt dieser ihn alleine zurück, um wenig später selbst das Ausmaß dieser Gedanken zu erfassen.

►Der Zwilling
Ein Zwilling empfindet Dinge, die nicht seinem Bewusstsein zu entspringen scheinen. Und sorgt dadurch unwissentlich für späte Rache.

►Chickamauga
Ein Kind verirrt sich beim Spielen im Wald und schläft ein. Nach dem Erwachen ist seine Welt jedoch nicht so, wie sie vorher war, doch muss er dies erst auf dem harten Weg lernen.

►Ein Grab ohne Boden
Der Vater stirbt plötzlich am Esstisch. Schnell stellt sich raus, dass diese Familie jedoch leicht andere Ansichten von Leben und Gerechtigkeit haben.

►Hundeöl
Ein Sohn hilft seinen Eltern die jeweiligen Abfallprodukte ihres Berufes zu beseitigen. Durch eine eher unüberlegte Tat tritt er Ereignisse los, die ihn diese Fahrlässigkeit noch bereuen lassen.

►Das Geheimnis von Macargers Schlucht
Ein Mann übernachtet in den Ruinen einer Hütte in einer Schlucht und erlebt des Nachts merkwürdige Träume und Phänomene.

►Eine Mittelzehe des rechten Fußes
Ein Duell zwischen zwei Männern in einem verlassenen Herrenhaus endet ohne Verlierer. Als das Gebäude am nächsten Tag erneut betreten wird, stellt sich die Frage, wer den Mann in der Ecke des Raumes getötet hat.

►Der Tod des Halpin Frayser
Der namensgebene Protagonist schläft im Wald ein und erlebt unsanfte Träume, die sich in der Wirklichkeit fortsetzen.

►Eine Totenwache
Ein Mann wird im Raum mit einer Leiche eingesperrt, was ihn nicht großartig zu stören scheint. Doch mit der Gelassenheit ist es bald vorbei…

Jede Geschichte umfasst nur ca. 10 bis 20 Seiten, doch schafft es der Autor,  jede dieser Seiten mit Spannung, Grusel und teils makaberer Sachlichkeit zu füllen, die mich sehr begeistert. Jede Geschichte hat mich gefesselt, so dass ich nicht mit dem Lesen aufhören konnte, bis ich eine zu Ende gelesen hatte und mit Ungeduld die nächste erwartete. Auffällig ist die Verwendung der alten Rechtschreibung, doch sprachlich wirken die Texte trotzdem modern, wodurch ein flüssiger und schneller Lesefluss gewährleistet wird, der den Leser mitreißt. Vor allem als Freund der Werke Poes und Lovecrafts kann ich dieses Buch nur wärmstens empfehlen und es bleibt  nur noch zu sagen, dass Ambrose Bierce sich seinen Platz neben den beiden anderen Begründern des Horrors verdient hat.