Rezension

Amerika aus der Sicht einer Afrikanerin

Americanah - Chimamanda Ngozi Adichie

Americanah
von Chimamanda Ngozi Adichie

Americanah - so nennt man in Nigeria die Afrikaner, die nach Amerika ausgewandert und dann wieder in die Heimat zurückgekehrt sind - sie bringen nicht nur einen anderen Zungenschlag zurück, sondern haben auch andere Verhaltensweisen, Erwartungen und Überzeugungen mitgebracht. Kann man also überhaupt zurückkehren oder ist das nicht wieder ein neuer Anfang?

Ifemelu und Obinze haben sich schon als Teenager ineinander verliebt und eine gemeinsame Zukunft schien ihnen sicher. Doch in Nigeria ist ein richtiges Studium kaum möglich, weil ständig gestreikt wird, und die beruflichen Aussichten sind mager. Ifemelu erhält ein Stipendium für Princeton und macht sich auf nach Amerika. Dort erlebt sie zum ersten Mal, dass sie als Schwarze angesehen wird - in Nigeria war das selbstverständlich, nicht hinterfragt und auch nicht abgewertet. In Amerika dagegen ist Rassismus zwar latent, aber überall zu spüren: Schwarze gelten immer noch als dumm, kriminell und unterprivilegiert. Selbst hohe Anpassung schützt nicht vor Diskriminierung. So muss Ifemelu unter größten Schwierigkeiten ihren Lebensunterhalt verdienen und eine Karriere im Beruf scheint unmöglich. Erfolg hat sie schließlich mit einem blog, in dem sie den alltäglichen Rassismus aufdeckt. Doch obwohl sie nun einen guten Verdienst hat, Anerkennung erfährt und anscheinend ihren amerikanischen Traum erfüllt hat, beschließt sie nach dreizehn Jahren in Amerika, nach Nigeria zurückzukehren.

Auch Obinze hat Nigeria verlassen; mit einem Touristenvisum ist er nach London geflogen und lebt dort mehrere Jahre als illegaler Einwanderer, der trotz seines Universitätsdiploms froh sein kann, wenn er eine Arbeit als Toilettenputzer findet. Eine Scheinehe soll ihm den Aufenthalt sichern, doch gerade vor der Hochzeit wird er verhaftet und nach Nigeria abgeschoben. Mit viel Glück und den richtigen Verbindungen kann er nun doch hier Karriere machen; er heiratet und wird Vater. Seine Jugendliebe Ifemelu hat er nie vergessen.

Und so driften die beiden so lange Getrennten unaufhaltsam wieder aufeinander zu. Wie das Wiedersehen ausgeht, soll hier nicht verraten werden...

Der Roman beginnt mit Ifemelu in Amerika, die in einem heruntergekommenen Stadtviertel einen Friseursalon aufsucht, denn nur hier kann sie sich eine afrikanische Frisur machen lassen. Sie steht kurz vor ihrer Heimkehr, und im Rückblick werden ihre Erinnerungen an die Jugendzeit, die schwierige Zeit der Einwanderung in Amerika und ihr dortiges Leben beschrieben. Der Leser kann sie begleiten und sich in sie einfühlen. Auch Obinzes Leben wird geschildert, wenn auch nicht so ausführlich. Hier werden keine Ghetto-Kids beschrieben, sondern hoch intelligente und gebildete Schwarze - und auch sie treffen alle Vorurteile.

In Ifemelus Lebensbeschreibung sind immer wieder Auszüge aus ihrem blog eingearbeitet; so wird deutlich, womit sie sich auseinandersetzt. Mit diesem Kunstgriff gelingt es Adichie, den Leser den alltäglichen Rassismus erlebbar und gleichzeitig reflektierbar zu machen. So sind z.B. Betrachtungen über Frisuren aufgenommen: Bei einem Vorstellungsgespräch hat eine schwarze Frau mit einer Afrofrisur oder langen Zöpfen keine Chance; geglättete Haare werden erwartet. Die Haare sind ein Symbol der Anpassung an das herrschende Schönheitsideal und an die Normen der Gesellschaft. Damit umfasst dieses Buch nicht nur eine Liebesgeschichte, sondern greift auch Themen wie Aus- und Einwanderung, Rassismus und Diskriminierung, kulturelle und persönliche Identität auf. 

Bei Ifemelus Rückkehr wird deutlich: Sie hat sich verändert, aber auch Nigeria hat sich gewandelt. Man kann eben nicht zweimal in den gleichen Fluss steigen.