Rezension

An diesem Buch kommt man nur mit Scheuklappen vorbei

Fleischfabrik Deutschland - Anton Hofreiter

Fleischfabrik Deutschland
von Anton Hofreiter

Bewertet mit 5 Sternen

Sehr sachlich und durchdacht erläutert Dr. Anton Hofreiter die Folgen der industrialisierten Landwirtschaft, wobei er auch auf Massentierhaltung, Tierquälerei, Antibiotikaresistenzen, routinemäßigen Einsatz von Reserveantinbiotika, Klimakrise, massives Artensterben ( 1/3 aller Arten ist in Deutschland gefährdet), Gülleüberschuß mit Bodenverseuchung, Überdüngung, Patente auf Saatgut oder Leben… eingeht. Sehr eindrucksvoll beleuchtet er, wie kleine Landwirtschaften vielen Zwängen unterworfen werden, Kompromisse eingehen, in der Hoffnung überleben zu können und sich unter dem Rentabilitätsdruck weiter verschulden um zu investieren und meist doch nicht gegen die großindustriellen Fleischfabrikbesitzer ankommen. Er berichtet vom Hofsterben, von der Aufgabe der Bauern, die ihre Arbeit seit Generationen geleistet haben, mit dem Blick auf Wohlergehen der Tiere, der Natur und auch der nachfolgenden Generationen – im Vergleich zu den Massentierhaltungsbetrieben, die es eher auf Gewinnmaximierung abgesehen und Deutschland zu den „Europameistern im Schweineschlachten“ gemacht haben. Aber es werden auch Beispiele von kleinen Bio-Landwirtschaften aufgezeigt, die beweisen, dass es auch anders geht. Hofreiter benennt es als Fehler im System, in dem die Großgrundbesitzer und -massentierhalter den Großteil der EU-Subventionen abschöpfen; immerhin geht ein Viertel dieser Gelder an nur 1% der Betriebe. Warum müssen wir die millionenschweren Billigfleisch-Großindustriellen im sechsstelligen Eurobereich mit unseren Steuern / Subventionen bezuschussen? Durch eine gerechtere Umverteilung und Kappung der Subventionen an „Fleischmillionäre“ und „Schweinebarone“ könnte die Agrarwende schon zum größten Teil finanziert werden.

Vieles des Dumpingfleisches wird exportiert, da überproduziert wird. Demzufolge wird auch zuviel Gülle entsorgt und verdirbt das Grundwasser. Fraglich bleibt auch der Sinn, in fernen Ländern Hunger auszulösen, weil die Bevölkerung ihre Anbauflächen nicht zur eigenen Nahrungserzeugung sondern für Billigsojafutter ( u.a. für Deutschland) hergeben muß.

Zweifelsohne handelt es sich um ein globales Problem und wir haben auch eine globale Verantwortung, was den Klimawandel, Menschenrechte und Umweltschutz ( in allen Lieferketten), Tierschutz u.v.m. betrifft.
Hofreiter beschreibt, wie die Politik gefordert ist, und wie wirksam die Lobbyisten eine Änderung verhindern – erinnert dabei z.B. an die Verhandlungen zur Eikennzeichnung und fordert auch eine Kennzeichnung des Fleisches, so dass Bauern bessere Produkte besser bezahlt bekommen und der Konsument eine freie Wahl treffen kann.

Es ist gar nicht möglich, auf jeden angesprochenen Punkt einzugehen, aber betonen muß ich, dass Hofreiter keine Schuldzuweisungen, außer die an das System, macht. Seine vorgestellten Punkte um zu einer global und sozial gerechten Landwirtschaft zu gelangen, sind durchdacht und machen Mut, denn er belegt, dass diese Wende bereits begonnen hat und beschreibt Strategien, Aktionen, Initiativen – ganz offensichtlich beginnt das Volk umzudenken. Beeindruckend fand ich auch die vielen Quellen, mit denen Hofreiter seine Strategie belegt und untermauert, ganze 13 engbedruckte Seiten im Anhang sind aufgelistet.
Bleibt zu hoffen, dass Hofreiter viele seiner Forderungen in seinem politischen Leben durchsetzten wird.