Rezension

An meinen Vorstellungen leider vorbei...

Der gefährlichste Ort der Welt
von Lindsey Lee Johnson

Bewertet mit 2.5 Sternen

Mill Valley ist einer dieser Orte, an dem niemand leben will: Die Stadt versinkt in alten Gewohnheiten und Spießigkeiten, die Hoffnung und der Lebensmut scheinen hie schon länger keine Definitionen der Gegend zu sein. Tristan ist ein aufmerksamer, wenn auch etwas sonderbarer, Schüler. Seine Mutter betüddelt ihn, während er von seinen Mitschülern geächtet wird. Eines Tages übertreiben diese es mit den Sticheleien und Tristan zieht die Reißleine – er bringt sich um. Danach ist für die Mitschüler nichts mehr, wie es einmal war … denkt man zumindest.

Das Setting ist sehr gut gewählt. Der Ort strahlt etwas so Deprimierendes aus, dass einen allein die Beschreibungen schon unglücklich machen. Dementsprechend ist der Schreibstil auch eher drückend. Auch wenn das Buch recht dünn ist, gelang es mir nicht, es in einem Rutsch zu lesen. Das wäre bei diesem Exemplar aber auch die falsche Herangehensweise gewesen. Allerdings liegt es nicht nur allein am Schreibstil, dass ich mich für das Buch nicht begeistern konnte. Die Charaktere ließen mich einfach kalt. Sie sind egoistisch, widerlich im charakterlichen Sinne und einfach auch farblos.

Ich muss gestehen, dass ich möglicherweise auch mit falschen Erwartungen an das Buch herangegangen bin. Ich dachte, dass das Thema Suizid hier im Vordergrund stand, was dann aber meist nur nebensächlich der Fall war. Bei einem Charakter gibt es eine detailliertere Auseinandersetzung mit Tristans Suizid, wenn ich aber bedenke, was für eine tragende Rolle sie dabei gespielt hat, dann war es mir einfach zu flach. Mir fehlt hier der Tiefgang. Allgemein war mir das einfach nicht rund und stimmig genug. Natürlich kreist danach nicht alles um den Suizid eines Menschen und in der Regel sind Menschen auch einfach so „egoistisch“ und leben einfach weiter, aber hier erlebten diese Menschen Schicksalsschläge und es wirkte so, als sollte man Mitleid mit ihnen haben. Klar, war alles recht heftig, aber für mich stand das in keinerlei Relation zu dem, was sie Tristan angetan haben. Natürlich kann man Leid nicht vergleichen und kann auch nicht sagen, dass Menschen eine Person zum Suizid „zwingen“, aber Freud beispielsweise war der Ansicht, dass Suizid aus den Todeswünschen gegenüber anderen Personen resultiert, die man wegen der Gesellschaft aber nicht haben sollte, weshalb man die Aggressionen gegen das eigene Selbst richtet und so sich zuletzt umbringt. Immer wieder hatte ich diese Gedankengänge im Kopf und konnte beim Lesen immer wieder Wut empfinden.

„Gespielte Melancholie, Tagebuchpoesie“, singt Casper in seinem Lied Jambalaya. Das trifft auf dieses Buch gut zu. Ich empfand es immer wieder als heuchlerisch und als ermüdend, weil immer wieder gezeigt wurde, wie schlecht es allen doch geht. Zu dem ursprünglichen Thema, Suizid, wurde aber nie richtig Bezug genommen. Ich finde es aber gut, dass es endlich mal ein Buch gibt, dass die Jugend nicht im vollen Maße verherrlicht. Gerade das Thema Mobbing wird hier sehr gut beschrieben.

Insgesamt hat mich das Buch mehr aufgeregt als erfreut. Ich werde es definitiv kein weiteres Mal lesen, weil es mich wirklich enttäuscht hat. Die anderen Charaktere konnten mich gar nicht berühren. Es war ganz nett, die Geschichte mal zu lesen, aber das wars dann auch. Profitiert habe ich davon nicht.