Rezension

Anfangs brillant und mit tollen Ideen, zum Ende hin etwas lahm

Die sieben Farben des Blutes - Uwe Wilhelm

Die sieben Farben des Blutes
von Uwe Wilhelm

Bewertet mit 3 Sternen

Wie ihr ja sicher schon bemerkt habe, lese ich recht selten Thriller. Und wenn, dann eigentlich nur von ausgewählten Autoren (ich sag nur: Fitzek, Beckett, Brown). Die sieben Farben des Blutes hat mich aber neugierig gemacht - auf eine neue Geschichte, einen neuen Autoren, neuen Nervenkitzel. Und auch wenn mir nicht unbedingt alles an diesem Roman gefallen hat, bin ich froh darüber, dass ich ihn gelesen habe. Weil er mir nämlich gezeigt hat, dass es durchaus noch andere deutsche Thriller-Autoren gibt, die sich auf Spannung und einen spektakulären Plot verstehen. Und das wiederum zeigt mir, dass ich meine Wohlfühlzone ab und zu mal verlassen und meinen Horizont erweitern sollte.

Aber genug der Vorrede - worum geht es in Uwe Wilhelms Die sieben Farben des Todes? Es geht um einen perversen und vollkommen irren Serienkiller, der denen, die wir aus amerikanischen Büchern, Serien und Filmen kennen, in nichts nachsteht. Dionysos ist ein Monster, ein frauenhassendes Monster, das seine Opfer auf ebenso perfide wie wahnsinnige Weise umbringt und sie dabei verhöhnt. Uwe Wilhelm hat mit Dionysos einen Mörder geschaffen, der an Jack the Ripper erinnert. Der eine grausame Mission hat und der Welt mit seinen Taten vor Augen führen will, dass emanzipierte, starke Frauen auf den Scheiterhaufen gehören. Ein verstörender und zugleich elektrisierender Gedanke. Denn das, was Wilhelm da aufgreift, ist ein brandaktuelles Thema. Feminismus ist heutzutage doch ebenso vielen Menschen ein Dorn im Auge, wie er Anhänger hat. Ewig wird diskutiert über Frauenquoten und dergleichen und recht oft kommen dabei Männer zu Wort, die sich aus irgendeinem Grund von starken Frauen bedroht fühlen. Und genau so ein Mann ist Dionysos - das zumindest war mein Eindruck.

Generell zieht ich das Thema Frauenhass durch die gesamte Geschichte. Er begegnet vor allem der Protagonistin Helena Faber, die sich in einer Männerdomäne behaupten muss, an beinahe jeder Ecke. Und nicht etwa nur durch die grausamen Taten dieses Einzeltäters, sondern in ganz alltäglichen Situationen, die uns erst einmal begreifbar machen, wie tief die Verachtung der Frau in der Gesellschaft immer noch verwurzelt ist. Die Ideen, die Wilhelm hier in die Geschichte um den irren Mörder einbindet, faszinieren und polarisieren. Und es sind auch Dinge dabei, die zum Nachdenken anregen: Dass etwa seine Videobotschaften, in denen er Mitschnitte seiner bestialischen Taten festhält, unbehelligt auf Facebook, Youtube und co. geteilt werden, weil sie sich nach ihrer Veröffentlichung so rasch verbreiten, dass es unmöglich ist, sie zu löschen. Oder dass Dionysos im Schutze der Anonymität des Internets nicht nur verachtet und gehasst, sondern auch gefeiert und unterstützt wird. Das sind die Aspekte des Romans, die ihn so realistisch machen. Denn es sind genau diese Probleme, mit denen wir uns heutzutage konfrontiert sehen. Das Internet als beinahe rechtsfreier Raum, in dem jeder sagen kann, was er will, ohne dass er dafür zur Rechenschaft gezogen wird.

Kurzum: Die Quintessenz des Thrillers ist genial und hat mich komplett überzeugt. Auch die Symbolik hinter den inszenierten Morden und die Heldin Helena als Opfer des Täters. An dieser Stelle muss ich die zart besaiteten Leser aber warnen: Wilhelm wird bezüglich der Darstellung der Morde und der kranken Gedanken des Killers ziemlich explizit. Viele Szenen sind sehr gewalttätig und brutal - darauf sollte man sich einstellen. Dazu schreibt Wilhelm sehr gewandt und flüssig, was einen den Roman in einem Rutsch durchlesen lässt. Der Spannungsbogen ist gut, schwächelt nur gegen Ende etwas, aber dazu komme ich noch.

Ein paar Dinge gibt es dennoch, die mich gestört haben. Zum einen die Identität des Mörders - die kannte ich nämlich schon nach 50 von 480 Seiten. Für mich war es von Anfang an einfach zu offensichtlich. Die Spuren und Hinweise, die Wilhelm eingeflochten hat, waren zu deutlich und so habe ich mich gefragt, wie blind und blöd die Polizisten eigentlich sind, dass sie da nicht von selbst drauf kommen. Die Identität wird zwar auch so weit vor dem Ende aufgelöst und von da an wird das Ganze zu einem spannenden Katz-und-Maus-Spiel mit dem Täter, der Überraschungsmoment war aber einfach verloren und das fand ich sehr schade.

Gestört hat mich auch die Entwicklung der Protagonistin Helena. Deren Entscheidungen konnte ich schon anfangs nicht immer vollumfänglich nachvollziehen, weil sie teilweise absolut unlogisch und wirr sind. Ich möchte nicht zu viel verraten, nur so viel: Im Verlauf der Handlungen leidet Helena unter einigen Amnesien, die mir ab einem gewissen Punkt einfach zu unglaubwürdig und an den Haaren herbeigezogen schienen. Hier verlor dann auch die Geschichte für mich an Glaubwürdigkeit und Authentizität. Das war doch etwas sehr dick aufgetragen. Generell gibt es innerhalb des Plots einige Logikfehler, nichts Großes, aber dem aufmerksamen Leser fallen sie ganz sicher auf. Gegen Ende hatte ich dann außerdem ein bisschen das Gefühl, dass Wilhelm noch Zeit schinden möchte - für mich war eigentlich alles gesagt, aber die Geschichte trudelt noch gute 100 Seiten vor sich hin, ohne zu einem Ende zu kommen. Das ist dann schließlich doch noch einmal spannend, denn völlig aus der Kalten heraus wirft Wilhelm dem Leser einen fiesen Cliffhanger vor die Füße und deutet damit eine Fortsetzung an. Obwohl mir der Roman rückblickend doch ganz gut gefallen hat, weiß ich nicht, ob ich eine mögliche Fortsetzung lesen wollen würde. Denn wie gesagt - prinzipiell ist zumindest die Geschichte um Dionysos zu Ende erzählt und ich kann mir nicht so recht vorstellen, wie es noch weitergehen soll. Aber das lasse ich einfach mal auf mich zukommen.

 

Mein Fazit:

Die sieben Farben des Blutes hat mich in vielerlei Hinsicht fasziniert und vor allem über Seiten hinweg in Atem gehalten. Ein solider und eigentlich herausragend guter deutscher Thriller, der mit genialen Ideen und einem völlig abgedrehten Killer mit gruseliger Motivation glänzt. Es gab einige Dinge, die mich nicht ganz überzeugt haben - vor allem die teilweise an den Haaren herbeigezogene Charakterentwicklung und die Identität des Täters, die mir schon nach den ersten Seiten klar wie die berühmte Kloßbrühe war. Und dennoch: An der guten Unterhaltung und der perfiden Faszination, die die Morde auf einen ausüben, gibt es nichts zu rütteln.