Rezension

Anfangs liest es sich etwas zäh, wird aber von Seite zu Seite besser

Das Kind meiner Mutter - Florian Burkhardt

Das Kind meiner Mutter
von Florian Burkhardt

Tragische Lebensgeschichte eines "Ersatzkindes"

Erzählt wird von der Kindheit des Autors bis hin zum Berufsleben. Seine Existenz hat der dem Tod des Bruders zu verdanken, der bei einem selbst verschuldeten Unfall ums Leben kam. Die Eltern und der ältere Bruder haben nahezu unverletzt überlebt. Florian ist praktisch „Ersatzkind“ für den verstorbenen Sohn. Er ist der kleine Prinz der Mutter und bekommt im Grunde alles, was er will. Allerdings nimmt man ihm die lieb gewordenen Dinge teilweise auch wieder weg, weil sie zu gefährlich für ihn und sein Leben sind. Die Mutter erdrückt ihn nahezu mit ihrer Liebe und Vorsicht und versucht, ihn vor der „gefährlichen Außenwelt“ zu schützen. Fahrrad fahren wird ihm dabei genauso verboten wie Freunde zu besuchen. Er fühlt sich wie in einer Blase und versucht immer wieder auszubrechen.

Als er mit 16 seine Homosexualität entdeckt, begehrt er erstmalig auf. Als „Dank“ wird er in ein katholisches Internat gesteckt, so er zum Lehrer ausgebildet werden soll. Doch ist es für ihn wirklich eine Strafe? Ist es dort wirklich schlimmer als zu Hause bei der übervorsichtigen Mutter?

Ich hatte zunächst so meine Schwierigkeiten, mich in den Protagonisten hineinzuversetzen. Anfangs fand ich die Geschehnisse noch relativ normal und dachte, er würde überreagieren. Tatsächlich war mir beim Lesen des 1. Abschnitts sogar hin und wieder etwas langweilig. Ob das am Schreibstil lag oder am wenig spektakulären Inhalt, vermag ich gar nicht zu sagen.

Für mich gewinnt das Buch jedoch von Abschnitt zu Abschnitt an Wert. Hat mir der mittlere Teil schon besser gefallen als der erste, so konnte ich das Buch im letzten Drittel kaum noch aus der Hand legen. Es hat mich fasziniert, wie Florian es geschafft hat, sich immer mehr Freiraum zu schaffen und seine Wünsche zumindest teilweise auszuleben. Vor allem die Ideen, die ihm niemals ausgingen, fand ich teilweise wirklich genial. Supertolle Entwicklung! Und so, wie Florian sich vorwärts entwickelt, entwickelt sich seine Mutter zurück. Je mehr Kraft er hat, umso kleiner wird ihre.

Das Buch wird sicher noch eine Weile in mir nachwirken. Florian erzählt teilweise sehr detailliert, wie eingeengt sein Leben ist und wie er versucht, durch kleine Ausbrüche damit klar zu kommen.

Das Buch hat mir mehr gegeben, als ich anfangs erwartet hatte. Ich bringe Florian viel Sympathie und Respekt entgegen. Er hat es trotz aller Probleme geschafft, sein Leben in den Griff zu bekommen und der Mutter zu verzeihen. Ich ziehe hiermit respektvoll meinen Hut vor ihm! Der Epilog war mir persönlich zu kurz und knapp gehalten, aber es gibt einen Folgeband und der Autor wollte wohl nicht zu viel preis geben. Von daher ist auch das in Ordnung.

Das Buch kann ich nur empfehlen, auch wenn es am Anfang etwas zäh erscheint. Für mich ist die Autobiografie 4 von 5 Sternen wert.