Rezension

Angelehnt an tatsächliche historische Geschehnisse - vielschichtig, fesselnd und außergewöhnlich!

And I Darken - Kiersten White

And I Darken
von Kiersten White

Bewertet mit 5 Sternen

Inhalt:

Als Lada zur Welt kommt, ist sie für ihren Vater Vlad Dracul, Herrscher über die Walachei, eine Enttäuschung, weil sie ein Mädchen ist. Doch Lada ist anders als die üblichen Prinzessinnen - brutal, grausam und skrupellos, wenn es um die Durchsetzung ihrer Ziele geht.
Doch dann werden sie und ihr Bruder Radu, der so anders ist als sie, an den Osmanischen Hof verstoßen. Und Lada schwört sich, diesen zu hassen - während in ihrem Herzen die Liebe zu ihrer Heimat lodert.

Meine Meinung:

Die Geschichte basiert auf tatsächlichen historischen Begebenheiten im fünfzehnten Jahrhundert sowie auf den historischen Persönlichkeiten Vlad III. ("Vlad the Impaler") und Mehmed II. (Mehmed der Eroberer). Zu der Recherche hat die Autorin ein Nachwort mit weiteren Literaturhinweisen und Anmerkungen zu den von ihr vorgenommenen Änderungen angefertigt.
Die größte Änderung, die sie vorgenommen hat, ist die, dass sie aus Vlad III. eine Frau gemacht hat - Lada. Das ist gerade in Anbetracht der Situation der Frauen in der damaligen Zeit umso faszinierender, einer Situation, gegen die sich Lada energisch auflehnt, sodass sie schon als Kind erklärt, niemals heiraten zu wollen. Immer wieder gebiert Lada gegen die Einschränkungen auf und zeichnet sich gleichzeitig als starken, einigen männlichen Personen überlegenen Charakter aus, sodass das Buch feministische Züge aufweist.

Die Geschichte wird abwechselnd mit dem personalen Er/Sie-Erzähler aus der Sicht von Lada und Radu (basierend auf Radu dem Schönen) erzählt.
Lada ist alles andere als eine typische Protagonistin. Sie ist brutal, löst Probleme mit körperlicher Gewalt und verachtet Schwäche - schon als kleines Kind. Gleichzeitig sieht sie sich als Teil ihrer Heimat, der Walachei, und die Walachei als etwas, das ihr gehört.
Ihr jüngerer Bruder Radu ist das komplette Gegenteil von ihr. Vor allem als Kind weint er viel und bleibt lange in den Armen der Amme, dieses Weinerliche behält er in Stück weit bei. Er ist schlecht im Kämpfen, lehnt körperliche Gewalt vielmehr ab und bevorzugt die Diplomatie. Er ist nett zu anderen Menschen, freundlich und selbst hübsch, während Lada als hässlich beschrieben wird.
Und doch teilen beide als Kind den Wunsch, ihren Vater zu beeindrucken, ein Wunsch, der mit dessen Verrat zerschmettert wird.

Obwohl Lada und Radu zwei so entgegengesetzte Personen sind, verbindet die beiden doch, dass sie Schwester und Bruder sind, dass sie die einzige Familie sind, die zueinander hält. Und ich fand es einfach unglaublich faszinierend, wie dieses Band zwischen den beiden bestehen bleibt, wie man als Leser*in diese geschwisterliche Verbindung spürt, selbst wenn die beiden nicht immer miteinander zurecht kommen.
Radu beneidet Lada manchmal um die Dinge, die sie hat und er nicht. Er fühlt sich zurückgewiesen von ihrer Brutalität, ihrer Verachtung und ihrer scheinbaren Gefühlslosigkeit. Etwas, was an sich durchaus nachvollziehbar ist, denn Lada ist eben schon an sich kein Charakter, der für Sympathie prädestiniert ist. Und doch - wenn man aus ihrer Sicht liest, merkt man, dass ihre größte Schwäche ihre Liebe zu Radu ist, eine Schwäche, die sie mit scheinbarer Gleichgültigkeit zu vertuschen sucht, um ihn zu schützen, selbst wenn Radu das selbst falsch versteht. Etwas, was ziemlich herzzreißend sein kann.

Und obwohl Lada also brutal und grausam ist, obwohl sie vor allem versucht, ihre eigenen Ziele durchzusetzen, war sie mir irgendwie doch ein wenig sympathischer als Radu. Vielleicht, weil sie stärker ist oder weil ich im Gegensatz zu Radu ihre Handlungen verstand.
Ich war überrascht, wie viel hinter dieser Fassade schlummert, wie viel Angst, nicht angenommen zu werden, alles zu verlieren, verabscheut zu werden. Denn Lada ist mehr als ihre brutale Seite, sie ist eine junge Prinzessin, die aus ihrer Heimat verstoßen wurde, sie ist ein Mädchen, das sich nicht mit der Rolle als Frau zufriedengeben will. Sie ist schlagfertig, sucht nach Anerkennung und ist manchmal unsicher. Und sie ist vor allem ein sehr vielschichtiger Charakter.

Aber auch die Nebencharaktere sind oftmals interessante Personen. Die Amme mochte ich, weil sie unauffällig gegen Ladas Vater rebelliert, der von seiner Tochter nur wünscht, dass sie schön ist - und die Amme daraufhin, dass Lada schlau, stark und hässlich werden möge.
Das Buch ist geprägt von politischen Intrigen, dabei wird aber deutlich, dass es kein "Gut" oder "Schlecht" gibt, sondern nur darum, bestimmte Machtpositionen zu vertreten und sich daher immer die Frage stellt, welche Seite man unterstützt. Gerade Lada und Radu als Abkömmlinge einer Herrscherfamilie eines anderen Landes stehen so immer wieder vor der Frage nach ihrer Loyalität.

Das Setting hat mich ebenfalls fasziniert, da die Handlung in Osteuropa und der Türkei spielt und interessante Einblicke in diese Geschichte, aber auch Kulturen bietet. Religion spielt ebenfalls mit dem Christentum auf der einen Seite und dem Islam auf der anderen, auch hinsichtlich der Legitimation von Herrschaft, eine Rolle. Gerade die Darstellung des Islams mochte ich dabei.
Was auch sehr hilfreich ist, sind die Karte und die Herrschaftsstammbäume vorne sowie der Personen- und Begriffsglossar hinten im Buch. Was die Begriffe angeht, so beschränkt sich die Autorin auf zentrale Ausdrücke, allerdings tauchen schon einige Charaktere im Verlaufe der Handlung auf.

Und obwohl die Handlung selbst eigentlich vor allem daraus besteht, dass man verfolgt, wie Lada und Radu aufwachsen, in die Intrigen des Hofes verwickelt werden und nach ihrem eigenen Weg suchen, wird es nie langweilig. Spannung entsteht dadurch, dass man auch als Leser*in nie so ganz weiß, wem man trauen kann, und gerade ab der Hälfte kommt auch mehr Action ins Spiel. Gerade dadurch, dass Lada so ein unberechenbarer Charakter ist, wird die Handlung auch nicht wirklich vorhersehbar.
Die Liebesgeschichte hat mich da fast gestört, da ich einfach nicht das Gefühl hatte, dass die Story sowas braucht, somit habe ich hier auch nicht sonderlich mitgefiebert. Der Ansatz einer Dreiecksgeschichte hat dagegen hier vielleicht auf der einen Seite das Potenzial nervig zu sein, auf der anderen Seite ist sie aber durch die Umstände auch wieder faszinierend.
Außerdem wird auch Homosexualität thematisiert, ohne in den Vordergrund zu rücken.

Fazit: Eine ungewöhnliche, brutale aber auch vielschichtige Protagonistin mit einem Bruder, der einerseits das komplette Gegenteil von ihr, die aber trotzdem ein Band verbindet, in einem ungewöhnlichen, interessanten Setting und in einer Welt der politischen Intrigen, angelehnt an tatsächliche historische Geschehnisse - ein Buch, das gleichzeitig auch Themen wie Feminismus und Homosexualität anspricht