Rezension

Antiheld oder Held - ist doch das Gleiche... oder nicht?

Rotkäppchen und der Hipster-Wolf - Nina MacKay

Rotkäppchen und der Hipster-Wolf
von Nina MacKay

Bewertet mit 4 Sternen

Mit einem flüssigen, humorvollen Schreibstil erzählt die Autorin altbekannte Märchen in neuer Fassung. In diesem Buch hat sie sich vorgestellt, wie Märchen wohl in der modernen Zeit wären. An jeder Ecke trifft man auf Technologie. Rotkäppchen bloggt gerne über ihre neueste Zopfkreation, Schneewittchens Spiegel ist ein genialer Hacker und Cinder geht nirgends ohne ihren Selfiestick hin. Den Wegweiszauber einer Hexe, benötigt keine Prinzessin mehr. Jetzt gibt’s ja Google Maps.

In dieser Märchenadaption, webt die Autorin zahlreiche Ideen und Neuinterpretationen ein. Man begegnet vielen altbekannten Gesichtern aus den guten, alten Märchen und das in einer völlig neuen Version. Eine als Kinderfressende, bekannte Hexe ernährt sich mittlerweile vegan, Schneewittchens Hausmöbel sind komplett aus Ebenholz und Dornröschen hat ein massives Schlafproblem. Selbst in den spannendsten Momenten, liegt sie auf der Seite des „Schlachtfelds“ und schnarcht. Die Protagonistin aus diesem Buch ist jedoch Rotkäppchen und man liest hauptsächlich in ihrer Sichtweise.

Rotkäppchen, im Buch hauptsächlich Red genannt, ist ziemlich verzweifelt. All ihre Freundinnen sind bereits verheiratet und haben ihr Happy End bekommen, nur sie nicht. Diese Verzweiflung versteckt sie hinter einer gehörigen Portion Sarkasmus. Seitdem sie einen Wolfsbauch von innen gesehen hat und von einem Jäger gerettet wurde, stellt sie Tierfallen auf. Dabei revanchiert sie sich und hilft bei den Jägern mit. Zwischen der Prinzessinnengruppe, schält sich Red als eine der intelligentesten heraus und sorgt mit ihrer Intelligenz, sowie ihrem Sarkasmus oft für Lachausbrüche.

Der Hipster-Wolf, alias Ever, ist zunächst ein wenig unscheinbar. So wirklich durchschauen konnte man ihn nicht und besonders die Frage, warum er überhaupt mit Red auf Prinzensuche geht, quält den Leser von Anfang an. Obwohl Red seit einem gewissen Vorfall, eine Wolfs-Phobie hat, kann sie den putzigen Hipster einfach nicht ernst nehmen. Ever muss einige Hipster-Witze über sich ergehen lassen. Lange lässt er sich das aber nicht gefallen, aber die kleinen Auseinandersetzungen zwischen Red und ihm sind einfach nur witzig. 

Die Prinzessinnen wirken recht dumm und dadurch auch komisch. Durch ihre Happy Ends sind sie alle ein wenig langweilig und total zu Couchpotates geworden. Als ihre Ehemänner entführt werden, kommt wieder Leben in ihren Alltag und gemeinsam mit Red, machen sie sich auf zur Suche nach ihnen. Wo besser damit anfangen, als bei den altbekannten Antihelden?

Die Antihelden, waren total interessant. So genau, wusste man eigentlich nie, wer jetzt Böse und wer Gut in der Geschichte war. In dieser Geschichte verdeutlicht die Autorin sehr stark, dass Gut oft nicht von Böse zu unterscheiden ist. Dass Menschen sich verändern können und keiner eine komplett reine Weste hat. Lustigerweise wurden mit den Hexen, Feen und bösen Stiefmüttern auch noch Schönheitsideale verarscht. Beispielsweise startet eine Antiheldin eine Diät und sieht mittlerweile aus wie ein Skelett, die andere benutzt Flohtox, um ihr Gesicht zu straffen und hat nun eher eine Maske als Gesicht. Sarkasmus und Humor durchziehen dieses Buch wie ein roter Faden, also bekommen auch diese Schönheitsideale durch Übertreibungen wirklich ihr Fett weg.

Ein weiteres Highlight an diesem Buch war die Gestaltung. Nicht nur das Cover weiß von sich zu überzeugen. Auf jeder Seite sieht man kleine Zeichnungen von Rötkäppchen, einem Wolf oder einer Hexe. An vielen Ecken sind wundervolle Schnörkeleien und am Ende mancher Kapitel gibt es eine Seitengroße Zeichnung, passend zum Geschehen in der Geschichte.

Aber was wäre ein Märchen ohne eine Liebesgeschichte? Auch in dieser Hinsicht, hat sich Nina Mackay etwas Neues einfallen lassen. Es gibt tolle Wendungen und Vieles, womit man nicht rechnet. Das ist gerade im Romanze-Abteil, nicht unbedingt üblich. Hier konnte die Autorin mit einer gut ausgearbeiteten Liebesgeschichte sehr überzeugen.

Mein Manko an diesem Buch ist wohl, dass es mich nicht genug bei der Stange gehalten hat. Der Haupthandlungsstrang ist die Suche nach dem Prinzen und ich hatte mir irgendwie erhofft, dass noch mehr an Handlung eintritt. Auch, dass das Töten der Hexen, Wölfe oder Feen, bei den Prinzessinnen keine Reue oder Mitleid ausgelöst hat, hat mich ein wenig verstört. Das könnte aber auch genauso gut ein Hauch makabrer Humor sein.

Fazit:

Toller Schreibstil, mit unglaublich viel Humor. Wer während dieser Geschichte nicht mindestens einmal laut auflacht, war in Gedanken woanders. Die Gestaltung in diesem Buch, ist der Hit und die Ideen, sowie Neuinterpretationen der Autorin ein wahres Highlight. Red wird einem mit ihrem Sarkasmus, direkt sympathisch und die anderen Prinzessinnen sind einfach dümmlich komisch. Der Hipster-Wolf ist schwer zu durchschauen und hat definitiv etwas zu verbergen. In diesem Buch trifft man auf interessante Helden und Antihelden – oder ist das im Endeffekt das Gleiche? Eine Liebesgeschichte, die von sich überzeugen weiß und mehrere geniale, in Humor verpackte Weisheiten, trifft man hier an. Nur beim Handlungsstrang hat die Geschichte Potenzial verschenkt. Die Spannung lässt an einigen Stellen zu wünschen übrig.

Zitat:

„»Sind wir nicht alle ein bisschen verrückt hier?«, ruft mir die Grinsekatze mit Lady-Gaga-Gedächtnisfrisur hinterher.
»Jaja«, murmle ich. »Aber irgendwer sprengt immer den Highscore.«“

„»Würdest du jetzt die Freundlichkeit besitzen, mich loszubinden?« [...]
»Wieso? Hält das Netz nicht mehr? Ich dachte Hipster wiegen nur ein Instagram!«“