Rezension

Atmosphärischer Ostsee-Krimi

Das Küstengrab
von Eric Berg

Bewertet mit 5 Sternen

Mit einem fesselnden Prolog wird man als Leser sofort in die Geschichte gezogen. Dabei erfährt man weder wer da gerade umgebracht wurde noch wer der Täter ist und landet dann umgehend aus dieser kurzen Episode 23 Jahre später im September 2013.

Hierbei begleitet der Leser Lea, die die Geschichte aus der Ich-Perspektive erzählt. Auf Anraten ihrer Psychologin steht sie kurz davor erneut Poel, den Ort ihrer Jugend, zu besuchen, wo sie vier Monate zuvor neben ihrer ungeliebten Schwester auch ihr Gedächtnis verlor und sich nun Antworten auf Fragen erhofft, die sie bisher noch nicht mal formuliert hat.

Vor Ort findet sie dann allerdings nur die Clique von damals völlig zerstritten und distanziert vor. Lea gerät mitten in die Rivaität zwischen ihren Freunden Mike und Harry, die sich um eine alte Ruine zanken. Sie war früher der Dreh- und Angelpunkt der Freunde, wurde liebevoll „der Palast“ genannt und täglich von der Clique besucht. Das Leben der Jugendlichen spielte sich dort ab, aber auch zwischen der privilegierten Jaqueline, die inzwischen mit Mike verheiratet ist, und der ärmlichen Margrethe macht sich eine offensichtliche Missachtung bemerkbar und von der früheren Freundschaft merkt man nichts mehr.
Der Einzige, der sie mit offenen Armen empfängt, ist Pierre. Er hat es inzwischen zum Arzt gebracht, war früher schon in Lea verliebt und bietet ihr deshalb auch jetzt nur zu gerne seine Schulter zum Anlehnen. Lea quartiert sich in seinem Gästezimmer ein und schon bald kann man die knisternde Atmosphäre zwischen den beiden spüren. So ist es dann auch kein Wunder, dass sich mit der Zeit eine innige Beziehung zwischen den beiden entwickelt.

Unterbrochen wird die Geschichte regelmäßig von Rückblicken, die sich vier Monate zuvor auf Poel abspielen und aus Sicht der verstorbenen Sabina erzählt werden. Dies gibt der Geschichte zusätzlich Spannung, da man auf diesem Weg nicht nur Lea auf ihrem Selbstfindungstrip begleitet, sondern auch etwas erfährt, an das Lea sich nicht mehr erinnern kann.

Bröckchenweise erlangt Lea ihr Gedächtnis zurück und erinnert sich dabei auch daran, dass ihre Jugendliebe Julian kurz nach dem Mauerfall spurlos von der Insel verschwand und bis zum heutigen Tag vermisst wird. Als sie ihre alten Freunde danach fragt stößt sie nur auf Ablehnung und wird sogar bedroht die Insel schleunigst zu verlassen.

Anfangs wirft Eric Berg mit seinem Krimi jede Menge Fragen auf was mir persönlich wirklich gut gefällt. Subtil schwingt immer etwas Unheimliches mit, was sowohl an der kleinen, abgeschiedenen Ostsee-Insel als Schauplatz sowie der geheimnisvollen Atmosphäre um alle handelnden Figuren liegen kann. Dies macht das Buch zu einem echten Pageturner und man mag es kaum aus der Hand legen, weil man unbedingt erfahren möchte wie sich die zahlreichen Fäden am Ende zu einem großen Ganzen verweben.
Der Autor schafft es zudem wunderbar die menschlichen Abgründe aufzuzeigen, so dass man mit der Zeit erfährt, dass der Zusammenschluss der Clique nicht zwangsläufig mit Zuneigung zu tun hatte, sondern ein Stück weit der Tatsache geschuldet war, dass man sich auf der dünn besiedelten Insel mit dem zufrieden geben musste, was man vorfand. Von der einstigen Freundschaft ist nichts mehr über und auf psychologischer Ebene könnte man fast von kriegsähnlichen Zuständen sprechen.

Für mich wurden am Ende alle offenen Fragen beantwortet und vor allem Täter als auch Motiv haben mich richtig überrascht, so dass ich für den Krimi mit gutem Gewissen die volle Punktzahl und eine ganz klare Empfehlung vergeben kann.