Rezension

Auf eine leise Art verstörend

Knochenpalast - Andrzej Bart

Knochenpalast
von Andrzej Bart

Bewertet mit 4 Sternen

Warschau in den 1950er Jahren: Die junge Lyriklektorin Sabina lebt zuhause mit ihrer Mutter und Großmutter und dem eigenwilligen Bruder. Mit ihren fast 30 Jahren ist sie immer noch ledig und in den Augen ihrer Familie fast schon eine alte Jungfer. Sabinas Großmutter ist das Oberhaupt der Familie, die Mutter beugt sich fast widerstandslos allen ihren Wünschen und ihr Bruder malt abgeschottet in seinem Kämmerlein vor sich hin und unterhält Kontakte zur Führungsriege der Partei. Sabina beginnt langsam das System in Polen zu hinterfragen, als per Dekret der Familie befohlen wird eine alte Dollarmünze auszuhändigen – die einzige Erinnerung an den Großvater. Sabina trifft eine mutige und folgenschwere Entscheidung, als sie beschließt die Münze in ihrem Bauch zu verstecken. Und dann taucht plötzlich ein charmanter Verehrer auf, der von ihrem Geheimnis zu wissen scheint. Sabina ist gezwungen schnell zu handeln…

In kurzen Sätzen mit einer schon fast karg zu nennenden Sprache erzählt Andrzej Bart die Geschichte von Sabina, wie sie im Polen der 50er Jahre lebt, sich verliebt und sich gleichzeitig gegen das System immer mehr auflehnt. Still und unaufgeregt wird dabei der alltäglich Gang zur Arbeit genauso beschrieben wie die ständige Angst vor Spitzeln und Agenten.

Gerade dieser Stil des Autors lässt einen Eindruck von Polen in dieser Zeit entstehen, wenn der Leser sich darauf einlässt. Denn die große Kraft dieses Buches liegt weniger in dem , was erzählt wird, als vielmehr in dem, was unerwähnt bleibt. Bis zum Ende der Novelle überrascht Andrzej Bart immer wieder mit unvorhergesehenen Wendungen und Entdeckungen, so dass erst zum Schluss die Geschichte vor den Augen des Lesers ausgebreitet wird – und selbst dann bleibt sie unvollständig und weist Lücken auf.

Der Knochenpalast ist ein ruhiges und verstörendes Buch, das einen Eindruck davon hinterlässt, wie es in Polen in den 1950er Jahren war.