Rezension

Auf Messers Schneide

Sweetbitter - Stephanie Danler

Sweetbitter
von Stephanie Danler

Bewertet mit 3 Sternen

~~Es werden Drogen genommen im Buch, viele Drogen. Um zu feiern, runterzukommen, wach zu werden, durchzuhalten, dazu zu gehören –meine persönliche Ablehnung dazu blockierte mich in meiner Wahrnehmung von Geschichte und Personen. Ich habe mir dann stattdessen vorgestellt, die Protagonisten teilten Schokolade oder Klatsch, um einfach in die Handlungen, Motive und persönlichen Verbindungen HINTER dem Drogenkonsum blicken zu können; ich konnte damit mein generelles Missfallen und Unverständnis quasi abspalten und mich auf etliche gut gemachte Aspekte dieses Buches einlassen.

„Für die Mädchen, mit denen ich aufwuchs, war die Zukunft eine Vollzeitbeschäftigung – sie gestalteten sie, leiteten sie in die Wege. Sie konnten darüber mit so viel Selbstbewusstsein sprechen, dass es klang, als wäre die Zukunft bereits Vergangenheit.“ S. 19 Die 22jährige Protagonistin geht hingegen nach New York, bekommt Arbeit im In-Restaurant, in einer Parallelwelt – der des schönen Scheins, des Umgangs mit den reichen Gästen: „Die Profis wussten, welche Ausstellungen gerade in welcher Galerie gezeigt wurden, regelmäßige Museumsbesuche galten als selbstverständlich. Fragte jemand, ob man Manets Hinrichtungen bereits gesehen habe …, dann antwortete man entweder, dass man quasi auf dem Weg dorthin war oder dass man sie bereits in Paris gesehen habe.

Und das seltsamste daran war, dass all das nichts bedeutete. Hatte man einmal die Schwelle zur Küche hinter sich gelassen, ging es wieder um Essen, Sex, Saufen, Drogen, die neuste Bar; darum welche Band wo spielte und wer in der Nacht zuvor am betrunkensten gewesen war.“ S. 80 Für die dienst-älteren Kollegen bedeutet das: „Sie sprachen die Sprache der Reichen. Fließend.“ S. 82 Dazu kommen Einblicke in die Gastronomie, über Geschmack, Bruchstücke von Unterhaltungen – durchaus von literarischer Qualität, einfallsreich gestaltet.

„Hast du Lust, Mittagessen zu gehen?“, fragte ich. Zu laut. „Ich meine, hast du Lust, zusammen mittagessen zu gehen? Ich meine, würde dich gern einladen, als Dank für die Bücher und dafür, dass ich hier sein durfte.“ S. 131 Ich habe selten eine so gute Darstellung gesehen von Einsamkeit, dem verzweifelten Wunsch, dazuzugehören, von Verlorenheit – davon, um andere oder anderes zu kreisen, sich komplett distanzlos zu machen in der völligen Bezogenheit auf ein Vorbild, ein Objekt der Verliebtheit, einen Job oder einen Lebensstil. Sie möchte sein wie Simone, zusammen sein mit Jake: „Ich wusste, wenn ich ihn nur dazu bringen konnte, mich zu erkennen, dann wäre keiner von uns beiden mehr einsam.“ S. 197

 Die gesamte Gruppe bewegt sich wie auf einer einzigen Klassenfahrt – in einer Art Blase, entfesselt, sehr aufeinander bezogen und sich aneinander reibend; in ihrem Kontakt mit den Wohlhabenden, ohne je selbst dazugehören zu können, aber dennoch mit einer gewissen Überheblichkeit, abgekoppelt von normalen Rhythmen durch den Schichtdienst, verächtlich gegenüber den „Geregelten“: Druck, wechselnde Arbeitszeiten, Serviceorientierung, keine Chance für „jeden Donnerstag Pilates um 19 Uhr“.

Da ist „zu viel“ – zu viele Drogen, zu viel wenig Schlaf, zu viel Alkohol, zu viel um die Häuser ziehen, zu viel Einsamkeit, zu viel Unentschlossenheit, zu viel Geld – bei den Gästen, die Trinkgelder, die Verdienstmöglichkeiten für schlichtes Kellnern. Es ist gerade in der ersten Hälfte mir generell zu viel – und das in alle Richtungen. Bucherliebhaberin kommt allein in die große Stadt, will ihr Glück machen, verliebt sich in Mann, der sie zurückweist – ohne die Drogen und die Dauerparty wäre das nur eine Kitsch-Liebesgeschichte, wenn Jake ihr den Hintern versohlen würde, „Shades of Gray“. Als Mann wäre es ein wenig Kerouac. Ein Buch, das die Leser spalten wird – der Drogenkonsum der Charaktere wird vielen den Zugang versperren. Ich mag die Sprache der Autorin, gerade die zweite Hälfte fand ich deutlich stärker, ich konnte charakterliche Entwicklungen bemerken – aber mir blieb der tiefere Zugang versperrt. Eine Momentaufnahme über das diffuse Gefühl von Jugend, von Unsicherheit, von Möglichkeiten. 3,5 Sterne, die ich aber gerade im Vergleich mit "runderen" Texten nicht hochsetzen möchte.