Rezension

Aufstieg eines Arbeiterkindes, 1. Teil

Das verborgene Wort - Ulla Hahn

Das verborgene Wort
von Ulla Hahn

Bewertet mit 5 Sternen

Hildegard Palm ist ein Kind einfacher Leute, doch mit ihrer großen Phantasie fällt sie aus dem engen Rahmen. Anpassen soll sie sich - der Vater schlägt sie, die Mutter schimpft, die streng katholische Großmutter droht mit Gottes Strafen. In der Schule lernt Hildegard lesen und findet in Büchern ein anderes Leben. Sie ist fasziniert von Sprache und zeigt in der Schule so gute Leistungen, dass der Lehrer für den Besuch einer Realschule mit Stipendium sorgt. Hier lernt Hildegard ein anderes Umfeld kennen. Als sie beginnt, hochdeutsch zu sprechen und mit Messer und Gabel zu essen, führt das zu Konflikten in der Familie - will sie etwas Besseres sein?

Das Buch beschreibt die Kindheit und frühe Jugend von Hildegard. Ich finde diese Welt faszinierend: Das katholische Milieu mit seinen Zwängen erkenne ich aus meiner Kindheit wieder, und mein Mann hat als Arbeiterkind ähnliche Erfahrungen wie Hildegard gemacht. Das Buch enthält viele autobiographische Züge; Ulla Hahn hat viele Details selbst erlebt, und sie gestaltet ihre Charaktere lebensecht und glaubwürdig. Auch aus beruflicher Hinsicht (Pädagogin) finde ich das Buch überzeugend: Es ist ein anschauliches Beispiel für Resilienz. Schließlich finde ich es auch sprachlich überzeugend; der Erzählfluss trägt. Die vielen plattdeutschen Wendungen, die manche Leser abschrecken, kann ich verstehen und werte sie als authentischen Beitrag. So finde ich dieses Buch (im Gegensatz zu Reich-Ranicki) rundherum gelungen und kann es nur empfehlen.

Dieses Buch wurde unter dem Titel "Teufelsbraten" verfilmt. Zwei Nachfolgebände beschreiben das weitere Leben von Hildegard, die sich nun Hilla nennt: "Aufbruch" und "Spiel der Zeit".