Rezension

Aufstieg und Fall

Die Gierigen - Karine Tuil

Die Gierigen
von Karine Tuil

Bewertet mit 3 Sternen

Inhalt:
Paris. Samir, Samuel und Nina sind während des Studiums eng befreundet. Samuel und Nina sind ein Paar. Die Beziehung wird auf eine Probe gestellt, als Samir dem Freund die Freundin ausspannt. Samuel reagiert mit einem Selbstmordversuch, der ihm Nina wieder zurückbringt. Samir geht schließlich nach New York, wo er Karriere als Anwalt macht. Als Samuel nach 20 Jahren zufällig erfährt, dass Samir seine arabische Abstammung verleugnet und seine, Samuels, jüdische Lebensgeschichte für sich beansprucht, beschließt er, Kontakt aufzunehmen und Samir zur Rede zu stellen. Außerdem will er herausfinden, ob Nina sich immer noch zu Samir hingezogen fühlt. Er drängt sie geradezu, sich mit Samir zu treffen, und das Schicksal nimmt seinen Lauf …

Meine Meinung:
Schon aufgrund des Schreibstils ist „Die Gierigen“ ein besonderes Buch. Ich hatte allerdings Schwierigkeiten, mich daran zu gewöhnen. Durch den auktorialen Erzähler entsteht eine große Distanz zu den Protagonisten. Das ist einerseits schlecht, weil man sich nicht so gut in sie hineinversetzen kann, sie einem auch relativ egal sind. Andererseits ist die Distanz auch gut, weil man diesen unsympathischen Gestalten gar nicht zu nahe kommen und sich mit ihnen identifizieren will. Erst nach ca. 150 Seiten wird die Geschichte lebendiger, ab da konnte sie mich auch mehr fesseln.

Leider bleiben die Figuren ziemlich blass. Vor allem Nina wirkt wie eine leblose Marionette, deren Handlungsweisen mir oft unerklärlich blieben. Samir erhält noch am meisten Konturen, er ist aber auch der unsympathischste Typ, immer nur auf seinen Vorteil bedacht und in mancher Hinsicht einfach skrupellos. Auf der Karriereleiter hat er es neben seiner Leistung vor allem durch Tricks nach ganz oben geschafft.

Fußnoten, in denen Karine Tuil unwichtigen Nebenfiguren, wie dem Türsteher oder der kleinen Verkäuferin, Leben einhaucht, sind ein nettes Detail, haben meinen Lesefluss aber gestört. Sie tragen aber auch nichts zur Handlung bei, man kann sie getrost unten liegen lassen, wenn es einem zu mühsam ist.

Eine weitere Besonderheit im Schreibstil sind die Aufzählungen, oft durch Kommata getrennt, oft aber auch durch Schrägstriche. Hier hatte ich anfangs glatt den Verdacht, die Autorin hätte im Manuskript mehrere Ausdrücke zur Auswahl aufgenommen und später vergessen, die überflüssigen zu löschen. ;-) Das ist mal ganz nett, auf Dauer hat es mich leider genervt.

„… dass etwas für immer verdorben/zerstört/beschmutzt war.“ (S. 29)
„Masken aus geklöppelter, gehäkelter, handgefertigter Spitze“ (S. 33)

Tuil packt viele Themen in diesen Roman, das Verhältnis von Juden und Arabern, Dschihad, Terrorismusbekämpfung in den USA, Liebe (obwohl ich das, was hier so genannt wird, bei weitem nicht als Liebe empfunden habe), Sex(gier), Erfolg, Familie usw. Leider bleibt alles recht oberflächlich. Hier wäre weniger mehr gewesen.

Nachdem ich den Mittelteil verschlungen habe, hat mich das Ende dann doch wieder enttäuscht. Einiges geht mir hier zu einfach. Wie schon die ganze Zeit konnte ich auch zum Schluss nicht nachvollziehen, warum die Protagonisten so handeln, wie sie es tun. Die inneren Beweggründe bleiben hier doch etwas auf der Strecke.