Rezension

Aufwühlender Jugendroman

Love Letters to the Dead
von Ava Dellaira

Bewertet mit 5 Sternen

Es fängt mit einer banalen Hausaufgabe im Englischunterricht an. Es soll ein Brief an eine verstorbene Berühmtheit geschrieben werden. Laurel schreibt an Kurt Cobain und hängt weitere Briefe u.a. an Amy Winehouse, Janis Joplin und Judy Garland an. Denn nur den Toten kann Laurel erzählen, wie ihre Schwester May gestorben ist.

Laurel ist an einer neuen Schule, sucht neue Freunde und findet dabei auch die erste Liebe. Sie sieht es als Neustart, denn niemand in ihrer neuen Umgebung weiß, dass sie die Schwester des toten Mädchens ist.

Nur den Verstorbenen kann sie sich anvertrauen. Sie erzählt vom Unterricht, den ausgeflippten Freundinnen, dem coolen Jungen Sky und den Schmetterlingen im Bauch, vom Zauber der Jugend und dem Fluch des Erwachsenwerdens und sie erinnert sich an May, der sie ihren Tod nicht verzeihen kann.

Dazu schreibt sie u.a. Judy Garland, sie sich schon als Kind mit „Somewhere over the Rainbow“ in den Himmel sang, Amy Winehouse, die sich immer auf’s Neue auf der Bühne selbst erfand und an Kurt Cobain, der sich wahrscheinlich schon im Uterus seine Wut von der Seele schrie.

Denn Laurel empfindet diese Wut ebenso, hat den Drang sich selbst zu erfinden und möchte sich eigentlich nur in den Himmel singen, denn ihr geht es gar nicht gut. Die Trauer um die Schwester überwältigt sie, ihre Familie ist schon vor diesem Schicksalsschlag zerborsten und sie gibt sich selbst die Schuld daran.

Die Autorin gibt einen eindrucksvollen Einblick in eine gequälte jugendliche Seele. So gern hätte ich Laurel in den Arm genommen, auch im Bewusstsein, dass es nicht viel geholfen hätte, denn diese Wut, mit der wohl jeder in der Jugend umzugehen lernt, wird durch Mays Tod ins Unfassbare verstärkt. Laurel trauert nicht nur um ihre Schwester, sie trauert auch um ihre Familie, die zerbrochen ist, um ihre Kindheit, der sie brutal entrissen wurde, um ihre alten Freunde, denen sie nicht mehr unter die Augen treten will und um die Frau, die May eigentlich hätte werden sollen.

Es hat aufgrund des leichten Erzählstils wie ein lockerer Jugendroman begonnen, nahm aber von Seite zu Seite tragischere Züge an und hat mich Laurels jugendlicher Gefühlswelt auf sehr intensive Weise ausgesetzt.

Der Bezug zu den verstorbenen Persönlichkeiten hat mir sehr gut gefallen, weil sie der ganzen Geschichte eine besondere Note verleihen. Laurel geht in ihren Briefen immer wieder kurz auf das Leben dieser Menschen ein, was vielleicht nicht ganz glaubwürdig wirkt, aber wahrscheinlich manchen Leser weiterhilft. Die außergewöhnliche Briefform ermöglicht außerdem behutsam in Laurels Seele zu blicken, aber immer nur so weit, wie sie es gerade zulassen will.

Ava Dellaira hat mit „Love Letters to the Dead“ einen aufwühlenden Roman geschrieben, der auch den erwachsenen Leser noch einmal durch die emotionale Hölle der Jugend schickt, dabei stark bewegt und zum Nachdenken anregt.

© NiWa