Rezension

Aus dem Seelenleben eines Ostfrontgenerals

Notizen aus dem Vernichtungskrieg -

Notizen aus dem Vernichtungskrieg
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Bewertet mit 5 Sternen

Am 22.6. startete die Wehrmacht das Unternehmen "Barbarossa", den Angriff auf die Sowjetunion. Bis zum November drang die Heeresgruppe Mitte bis in den Umkreis der Stadt Moskau vor, bis der Schlamm ein Weiterkommen unmöglich machte. Im darauf folgenden Winter setzte die Rote Armee zum Gegenangriff an, der die Wehrmacht bis an den Rand einer Niederlage brachte, nicht zuletzt deshalb, weil der Oberbefehlshaber Hitler ein bedingungsloses Halten der erreichten Linie befahl, was für die Soldaten bedeutete, zerfächert und mehr oder weniger schutzlos den Temperaturen und den Angriffen der Gegner ausgesetzt zu sein. Von Angang an dabei war der General Feodor August Gotthard Heinrici, dessen Aufzeichnungen von Johannes Hürter unter dem Titel "Notizen aus dem Vernichtungskrieg" herausgegeben worden sind. Aus Briefen und Tagebuchaufzeichnungen ergibt sich somit quasi ein Augenzeugenbericht über den vorentscheidenden Kriegswinter 41/42. Zunächst kommandierte Heinrici das XXXXIII. Armeekorps, später die 4. Armee, die an vorderster spitze der deutschen Angriffs- bzw. Verteidigungsbemühungen stand. Dabei erwarb er sich den Ruf eines Verteidigungsspezialisten. In seinen Aufzeichnungen zeichnet der General ein authentisches Bild von den Frontbedingungen. Doch auch er gehört zu denjenigen militärischen Fachleuten, die zwar die Unsinnigkeit der Hitler'schen Befehle erkannten, aber es sich nicht trauten, zu widersetzen. Aberundet wird das Buch durch einen Anhang, der sich aus Briefen Heinricis von 1918 bis 1945 zusammensetzt. Auch diese Dokumente zeigen, wie dieser Mann, immerhin gläubiger Protestant, tickte. Sein Hass auf Sozialdemokraten und Juden verblendeten ihn so stark, dass er vieles hinnahm, was er innerlich nicht gut hieß. Aber die Ausschaltung der Demokratie, die Bekämpfung des angeblichen Einflusses der Juden und der Aufbau einer starken Armee war ihm offensichtlich wichtiger. Erst spät, deutlich zu spät, regte sich in ihm so etwas wie Widerstand, als er 1945 in aussichtsloser Lage nach dem Befehl, Hitler in Berlin zu entsetzen, vom Kommando zurücktrat, um weitere sinnlose Opfern seiner Männer zu unterbinden.

Immer wieder überraschend ist es, zu lesen, wie Heinrici Fehler der Kriegsführung erkennt, aber kaum etwas dagegen unternimmt, sei es die Behandlung der russischen Zivilbevölkerung, die man eventuell hätte auf die eigene Seite ziehen können, sei es die Erkenntnis, dass mit der Eroberung Moskaus der Krieg wahrscheinlich kaum beendet worden wäre.