Rezension

Aus der Sicht eines Ungeborenen

Nussschale - Ian McEwan

Nussschale
von Ian McEwan

Bewertet mit 3 Sternen

Trudy ist hochschwanger, hat den Vater des Kindes, John,  aber abserviert und vergnügt sich nun mit seinem Bruder Claude. Woher der Leser das alles weiß? Das ungeborene Kind erzählt es uns! Es weiß zwar nicht, wie die Farben blau und grün aussehen, aber dadurch, dass seine Mutter mit Vorliebe Podcasts hört, hat es schon beeindruckendes Allgemeinwissen erworben. Doch nun hat es den Verdacht, dass Trudy und Claude einen Plan aushecken. Sie werden doch nicht seinen Vater ermorden wollen?

Die Erzählperspektive dieses Buches ist äußerst ungewöhnlich. Das Kind im Mutterleib sieht nichts, dafür hört es umso mehr und schließt durch ein Ziehen hier oder da auf Bewegungen der Mutter. Es ist sogar schon zu einem richtigen Weinkenner geworden, da Trudy trotz Schwangerschaft gerne mal ein Gläschen trinkt. Und es schildert sogar den Geschlechtsverkehr der beiden… aus seiner Perspektive!

Eine wirklich tolle Idee, die Geschichte aus dieser Sicht zu erzählen. Doch irgendwie kam ich mit dem altklugen Baby nicht richtig zurecht – an manchen Stellen hat es mich richtig genervt. Ich weiß, man sollte es als literarisches Experiment sehen und nicht als reales Baby, aber wenn sich ein Ungeborenes über verschiedene Weinsorten auslässt kommt es mir doch irgendwie gestellt vor. Vielleicht habe ich mich aber auch einfach nur darüber geärgert, dass das Baby klüger ist als ich.

Das Buch enthält viele Szenen zum Schmunzeln, literarische Anspielungen und greift hochaktuelle Themen auf. Aber irgendwie erschien es mir nicht ganz ausgereift: Die aktuellen Themen werden von den Protagonisten besprochen, haben aber wenig Einfluss auf die Handlung. Da es um einen geplanten Mord geht, könnte man fast eine Krimihandlung erwarten – aber Spannung kam eigentlich kaum auf. Die Personen sind alle entweder unsympathisch oder bleiben zu blass, deswegen habe ich nicht mitgefiebert.

Ich gebe dem Buch drei Sterne, aber ich möchte nicht sagen, dass es ein schlechtes Buch ist, es war aber nicht das richtige für mich.  In diesem Fall ist die Bewertung sehr subjektiv und es werden sich bestimmt viele Leser finden, die diese Art von Humor mehr zu schätzen wissen als ich.