Rezension

außen hui, innen pfui

Maestra - Hilton L S

Maestra
von Hilton L S

Bewertet mit 1.5 Sternen

Meine Zusammenfassung
Judith Rashleigh kommt aus einem kleinen britischen Ort und war schon in der Schule eher das Mobbingopfer als eine gute Schülerin oder gar beliebt. Sie will nach oben, will Ruhm und Reichtum, will Anerkennung. Sie hofft, dass ihr Kunststudium und die danach folgende Anstellung in einem der zwei besten Kunstauktionshäuser Londons ihr dazu verhilft. Doch es kommt ganz anders. Nach drei Jahren ist sie immer noch ganz unten. Ihr Chef schickt sie gar zu einem Kunden, von dem er weiß, dass dieser sie nur begrapschen wird und auch gern noch weiter geht. Da wittert Judith ihren großen Durchbruch, denn sie erkennt eine Fälschung eines wertvollen Bildes und will ihren Chef damit beeindrucken, indem sie ihn vor einem großen Skandal bewahrt. Doch es kommt anders: Ihr Chef feuert sie fristlos, lässt sie gar mit Security sofort hinaus werfen.

Judith ist maßlos enttäuscht. Sie sieht ihre Wünsche, die sie für ihr Leben hatte, in weite Ferne gerückt. Sie reagiert sich erst einmal mit einem flotten Dreier ab. Die nächsten Tage arbeitet sie als Hostess in einem Club, wo reiche, meist verheiratete Männer einfach nur ein bisschen reden und trinken mit schönen Frauen. Damit hatte sie schon einige Wochen zuvor angefangen, um ihr karges Gehalt aufzubessern. Ein Mann macht ihr das Angebot, mit ihm nach Cannes zu fahren für ein Wochenende. Judith besteht darauf, eines der anderen Mädchen auch mit zu nehmen, und begleitet ihn dann. Sie hat jedoch nicht vorausgesehen, dass der Mann, den sie schon mehrere Wochen kennt, dann doch mehr will als nur trinken und reden. Sie denkt sich nichts dabei, als sie ihm Beruhigungsmittel in den Drink mischt und sich eine schöne Nacht in Cannes macht.

 

Meine Meinung
Der Schreibstil ist größtenteils ganz in Ordnung. Manchmal ist er einfach nur beschreibend, dann wieder äußerst nüchtern und objektiv, als es etwa um eine Sexszene geht, und dann gibt es immer mal wieder kleine Beschreibungen, die mir ein Grinsen auf das Gesicht zauberten. So wird einmal etwa beschrieben: "Bösartige kleine Augen zuckten über einem ergrauten Hitlerbärtchen, das an seiner Oberlippe hing wie eine Nacktschnecke an der Sprungschanze." (S. 44). Diese kleinen humorvollen Beschreibungen sind jedoch eher eine Seltenheit, sodass ich den Eindruck habe, dass sie nicht wirklich zum Schreibstil gehören, sondern eher punktuell eingefügt wurden. Ich bekam den Eindruck, dass die Autorin diese kleinen Beschreibungen etwa in einem anderen Buch gefunden und dann selbst verwendet hat, um ihren Roman etwas aufzulockern. Sie passen also nicht wirklich zum übrigen Schreibstil, wirken eher wie ein Fremdkörper.

Gerade die Sexszenen finde ich dann allerdings eher abstoßend. Sie sind einfach nur vulgär und bewegen sich sprachlich auf einem ganz niedrigen Niveau. Immer, wenn es um Sex geht, wird nur von fi**** (Von mir zensiert, weil ich dieses Wort einfach abstoßend finde!) gesprochen. Ganz ehrlich: Wenn ich etwas mit diesem Wort lesen will, dann nehm ich mir die Liedtexte von Eminem oder anderen Rappern vor, aber kein Buch, das angeblich ein internationaler Bestseller sein soll! Und die Beschreibung, was da wogegen klatscht und was wie feucht wird, brauche ich nicht. Ich habe nichts gegen erotische Szenen in Büchern, die vielleicht auch mal detailliert beschrieben werden, aber bitte nicht so! Ich fühlte mich ein wenig an "Schulmädchenreport" erinnert: Rein, raus, rein, raus, stöhnen - fertig!

Das Buch strotzt nur so von Modebegriffen und Namen, die Mode-Insidern wohl etwas sagen. Mich nervten die Begriffe aber mit der Zeit einfach nur! Ich hatte oft keine Ahnung, wovon da geschrieben wurde und was mir diese Aufzählung von Kleidungsstücken und Designern eigentlich sagen sollte. Um zu verdeutlichen, was ich meine, gebe ich hier einmal eine ganz kurze Leseprobe von Seite 88, wo mit diesem Satz gerade ein neuer Abschnitt anfängt: "Ich hatte ein paar von James' Fünfzigern dazu genutzt, mich für die Reise auszustatten - mit einem braunen geflochtenen Lederweekender aus einem kleinen Laden in Marylebone und einer passenden Tasche, die beide ohne Weiteres als Bottega Veneta durchgegangen wären, mit einem schwarzen Bikini von Eres, der an der Seite gebunden wurde, einer Tom-Ford-Sonnenbrille und einem Vuitton-Schal im Stephenson-Sprouse-Design in Türkis und Beige." Was ist ein Lederweekender? Eine Hose? Eine Kombination? Ein Koffer? Eine Jacke? Wer oder was ist Bottega Veneta? Der einzige Name, der mir in diesem Satz etwas sagt, ist Louis Vuitton. Ansonsten verstehe ich kaum etwas aus dem Satz. Und so geht es mir in diesem Buch leider häufiger. Mode und die ganzen Fachbegriffe sind ein Schwerpunkt in diesem Buch und wer davon wie ich nichts versteht, wird außen vor gelassen, gehört eben nicht zu diesem elitären Kreis, zu dem Judith unbedingt dazu gehören will. Da mich ein Buch wie dieses aber in erster Linie unterhalten soll, ärgert mich das einfach. Ich hätte mir wenigstens ab und zu kleine eingestreute Erklärungen gewünscht, damit ich nicht so blöd da stehe und alles googlen müsste, um es zu verstehen. Würde man allein diese ganzen überflüssigen Aufzählungen modischer Einzelheiten weg lassen, dürfte das Buch fast 25 % kürzer sein, denn Judith kauft leider sehr oft ein bzw. zieht sich an ...

Die Handlung entwickelt sich dann auch recht schwerfällig, wird immer wieder ausgebremst von Modedetails, weil Judith gerade mal wieder einkauft, sich umzieht oder die Kleidung von jemandem beschrieben wird. Nach den Vorkommnissen in Cannes verändert Judith ihr Leben radikal. Für mich kam es doch etwas überraschend, denn ich fand dieses Verhalten auch nicht zu der Person von Judith passend. Sie war eigentlich immer der "Niemand aus Nirgendwo", wie sie sich selbst mal bezeichnet, und der es einfach nicht schafft, aus diesem Milieu heraus zu kommen. Und plötzlich war sie jemand ganz anderes, benahm sich auch ganz anders. Sie schien es doch geschafft zu haben! Der Weg, wie sie es dorthin geschafft hat, war für mich nicht so ganz verständlich - aber ich gehöre ja auch nicht zur Schickeria von Cannes. Ich hab auch nicht verstanden, wieso sie plötzlich dazu gehörte, wo sie es doch vorher nie geschafft hatte. Wenn sie doch diese Fähigkeiten hatte, sich so zu geben wie diese High-Society und darin gar nicht aufzufallen - wieso hat sie dies dann vorher nie getan? Wieso war sie vorher die kleine graue Niemand aus Nirgendwo - und plötzlich eine angesagte Frau aus der gehobenen Klasse? Natürlich, es könnte auf diese zufällige Art und Weise passieren, aber diese Wandlung fand ich nicht so ganz glaubhaft.

Wie sich die Handlung nach der Wandlung weiter entwickelt, finde ich dann auch eher an den Haaren herbei gezogen. Ich will nicht zuviel vom Inhalt verraten, der sich dann doch in eine ziemlich andere Richtung entwickelt, als der Klappentext vermuten lässt, aber jeder, der ein bisschen Verstand hat, wird sich vermutlich anders verhalten. Ich finde das Verhalten von Judith auch plötzlich viel zu abgeklärt, zu emotionslos und eher in die Richtung eines Soziopathen tendierend. Das wird meines Erachtens sehr deutlich, als sie in Italien einen One-Night-Stand hat und mitten im Akt, wo wieder etwas irgendwo gegen klatscht, überlegt, dass sie auch gut die Statue vom Nachttisch nehmen und dem Mann jetzt über die Rübe ziehen könnte, um ihn zu töten. Kurze Zeit später denkt sie dagegen wieder ganz liebevoll an ihre Mutter und einen guten Freund, der mit ihr im Auktionshaus gearbeitet hatte. Wie gesagt: Es passt für mich einfach nicht zusammen, ich erkenne die Persönlichkeit von Judith nicht: Immer noch das kleine Mädchen, das aus ihrem schlechten Umfeld mit der Alkoholikerin als Mutter heraus will? Die zielbewusste Karrierefrau, die sich nach oben arbeitet oder auch schläft? Die eiskalte Soziopathin, die für die Verwirklichung ihrer Ziele über Leichen geht? Irgendwie ist sie von allem ein bisschen, was zu recht seltsamen Handlungen führt. So bricht sie dann auf Seite 316 etwa plötzlich in richtige, echte Tränen aus, heult wirklich Rotz und Wasser und fühlt sich erleichtert, als ihr jemand auf den Kopf zu sagt, was sie in den letzten Monaten getan hat. Ich weiß, dass ein Mensch verschiedene Seiten haben kann, aber diese sind viel zu gegensätzlich und schließen sich eher gegenseitig aus.

An sich müsste die Geschichte spannend sein, denn es geht ja irgendwie doch fast in der gesamten Handlung um das gefälschte Gemälde, wenn auch ein wenig anders, als ich vorher vermutete. Im weiteren Verlauf des Buches kommen dann noch einige Dinge hinzu, die das Buch dann vielleicht in das Genre Krimi oder Thriller rücken lassen könnten. Trotzdem würde ich weder sagen, dass es sich um einen Krimi oder Thriller handelt, noch, dass es wirklich spannend ist. Ich musste mich manchmal zwingen, weiter zu lesen, habe den ein oder anderen Absatz auch quergelesen und bin danach wieder detailliert eingestiegen. Das sind für mich Anzeichen, dass ich die Handlung nicht spannend fand. Und weil die Ziele von Judith überwiegend im Unklaren bleiben, ihre Handlungen unvorhersehbar sind und man auch kaum weiß, wo das Buch hinführen soll, ist es eben auch nicht spannend. Es fehlt komplett so etwas wie ein Spannungsaufbau oder -bogen. Noch nicht einmal Judith ist wirklich gespannt, ob ihr jemand auf die Schliche kommt. Sie wartet einfach ab. Und so hab ich auch eher darauf gewartet, wann sie das nächste Mal einkaufen geht oder wann sie sich wieder umzieht, als darauf, dass etwas passiert.

 

Fazit
Judith ist immer gut angezogen und benimmt sich meist wie eine elegante Frau, aber ihr wirklicher Charakter sieht anders aus. Und auch dieser Roman sieht äußerlich wie ein Bestseller aus, der Klappentext klingt gut - aber im Inneren hab ich etwas anderes gefunden.