Rezension

Außergewöhnlich detailreich!

Die Erleuchtete - Das Dunkel der Seele - Aimee Agresti

Die Erleuchtete - Das Dunkel der Seele
von Aimee Agresti

Die Erleuchtete hat mich ganz schön hinters Licht geführt. Das Buch kommt mit einem Klappentext daher, der ziemlich bekannt klingt und einem Grundaufbau, der oft-benutzen Schemata zu folgen scheint. Bemerkenswert ist allerdings der Umfang des Buches, der mit knapp 600 Seiten aus dem Rahmen fällt. Doch gerade dieses Ausmaß ist es, das der Geschichte von Haven das gewisse Etwas verleiht und jede Menge Platz für ausgeklügelte Details und Informationen bietet. Nachdem ich die letzte Seite umgeblättert hatte wurde mir klar, dass der Spruch "Kennst du eines, kennst du alle" nicht auf Bücher zutrifft. Die Erleuchtete hebt sich durch gewisse Besonderheiten sehr von seinen "Artgenossen" ab.

Fangen wir aber doch mal mit der Protagonistin Haven an. Sie fällt nicht aus dem Rahmen, ganz im Gegenteil, sie ist ein ziemlich normales Mädchen, das etwas schüchtern ist, aber ein großes Herz hat. Sie ist intelligent und sehr zielstrebig. Anfangs hätte ich sie vielleicht als "graue Maus" bezeichnet, aber da stille Wasser bekanntlich tief sein können, habe ich mich schon darauf eingestellt, meine Meinung noch einmal ändern zu müssen. Was sich im Nachhinein als zutreffend herausgestellt hat. Sie war mir jedenfalls sehr sympathisch, was mich ziemlich erleichtert hat, denn es gibt nichts Schlimmeres als eine nervige Protagonistin mit der ich nicht mitfühlen kann.

Havens "Leidensgenossen" Dante und Lance fand ich ebenso sympathisch. Dante ist ein ziemlich extrovertierter Schwuler, der eine Liebe zum Kochen hat und zudem Havens bester Freund ist. Unfassbar, wie viel Energie in einem einzigen Menschen stecken kann. Lance hätte ich zu Beginn als einen "Nerd" bezeichnet. Von seinem anfänglichen Auftreten darf man sich allerdings nicht täuschen lassen, denn auch er versteckt seinen wahren Charakter, so dass man etwas Geduld braucht, bis man ihn wirklich kennenlernt. Das Trio, das die meiste Zeit über eigentlich nur ein Duo ist, war für mich eine wirklich gelungene Mischung.

Außerdem positiv hervorzuheben ist der Schreibstil. Er ist relativ einfach gehalten, dafür aber sehr detailreich, wodurch man einerseits schnell vorankommt, zum anderen aber jede Menge Eindrücke sammeln kann. Ich finde, oft sind es vor allem die Kleinigkeiten, die ein Buch besonders gut machen. Aimee Agresti lässt dem Geschehen in ihrem Buch eine Menge Zeit sich zu entwickeln, so dass man sich als Leser erst mal ein genaues Bild von etwas machen kann, bevor man sich mit neuen Informationen konfrontiert sieht. Zugegeben, dieser Stil sorgt dafür, dass ziemlich lange nichts furchtbar Aufregendes passiert, aber die Indizien, die man in dieser Zeit sammeln kann, reichen dazu aus, um sich einerseits mit den Umständen vertraut zu machen, andererseits kann man sich dadurch schon ein paar Theorien zusammenbasteln und rätseln, was mir persönlich sehr gut gefallen hat. Ich könnte es aber auch verstehen, wenn jemand über diese ausladende Handlung die Geduld verliert. Daher sollte man sich viel Zeit und Ruhe mitbringen, wenn man Die Erleuchtete lesen will.

Die Erleuchtete kann mit einer ganz besonderen Atmosphäre aufwarten, da es die meiste Zeit über in einem Hotel spielt, dass vor Luxus und Extravaganz nur so trieft. Es wäre bestimmt ein toller Ort zum Rückzug, wäre da nicht diese künstlich hervorgehobene Verbindung zu der "Unterwelt. Ein wichtiges Stichwort ist "Al Capone", über dessen Geschichte und Verbindung zu Chicago man einiges lernen kann. Ich fand diesen Bezug zu wahren Begebenheiten sehr interessant. Das alles macht aus dem Hotel einen sehr charakteristischen und zwiespältigen Handlungsort, der mir auch nach beenden des Buches noch im Gedächtnis herumspukt. Auch die damit verbundenen Charaktere sind einerseits beneidenswert was ihr Aussehen angeht, aber hinter der Fassade steckt nicht unbedingt immer ein weicher und netter Kern. So sorgen  beide, Haus und Besitzer, nicht nur für Staunen, sondern auch für Unbehagen.

Was zunächst wie "typisch Jugendbuch" beginnt, entwickelt sich dann ziemlich schnell doch zu etwas, mit dem ich wirklich nicht gerechnet hätte. Da wäre zum einen die Liebesgeschichte. Haven verguckt sich in den bösen Jungen Lucian, der, so wird ihr dann klar, keine weiße Weste hat. Doch mit der Zeit ändert sich die Beziehung der beiden auf unerwartete Weise und das Buch schlägt eine überraschende Richtung ein, die mir viel besser gefallen hat als die ursprüngliche.

Auch das "Geheimnis" der "Mitarbeiter" des Hotels wird auf eine sehr ungewöhnliche Art und Weise aufgedeckt. Zunächst beginnt es mit kleinen Beobachtungen, geflüsterten Worten und einigen komischen Begebenheiten, die Haven Rätsel aufgeben. Bald kommen belauschte Gespräche dazu und ihre Verwirrung erlangt einen Höhepunkt. Wirklich bemerkenswert ist, dass der Bösewicht keinen "lass mich dir meinen Plan erklären"-Monolog hat, wie es in so vielen Büchern der Fall ist. Haven wird nicht Wort für Wort erklärt was sie ist und was die anderen sind. Sie reimt es sich selbst zusammen, spricht aber auch nicht jeden ihrer Gedanken darüber aus. Dadurch sind es manchmal vor allem die unausgesprochenen Gedanken, die ein weiteres Glied in der Kette darstellen. Eine wichtige Rolle dahingehen spielt ein Buch, das Haven zwar Tipps gibt, aber die meiste Zeit doch in Rätseln spricht. 

Die Idee hinter dem Ganzen ist nicht unbedingt neu, aber durch ein paar Kleinigkeiten (da wären sie wieder), hebt sie sich doch sehr von anderen ihrer Art ab. Gut gegen Böse kommt ja eigentlich in jedem Buch dieses Genres vor, aber nur selten wird das "dazwischen" so schön dargestellt wie in Die Erleuchtete. Ich bin jedenfalls fasziniert von den "Wesen" und freue mich schon darauf, mehr über sie zu erfahren.

Somit wären wir dann auch am Ende, dass ausnahmsweise mal keinen miesen Cliffhanger, aber ein doch überaus spannendes Finale und atemlose Spannung zu bieten hat. Und ein wenig Romantik. Es bleiben einige Fragen offen, es gibt auch aber eine gute Begründung, warum das so ist. Deswegen freue ich mich sehr auf den nächsten Band, ohne dass ich wegen der Wartezeit wahnsinnig werde.

FAZIT
Gerade die kleinen Feinheiten machen Die Erleuchtete zu einem ganz besonderen Buch, in dem es um "Gut und Böse" und "Schein und Sein" geht. Ich habe an den Seiten geklebt. während Haven nach und nach in ihre neue Rolle und somit ihr neues Leben hineingewachsen ist. Ihre Entwicklung ist noch nicht zu Ende und ich bin schon gespannt darauf, was noch alles auf sie zukommen wird. Die Erleuchtete hat mich mit einem atmosphärischen Setting, ansteigender Spannung und einer ausgefeilten Idee vollkommen überzeugt und hebt sich deutlich von anderen Büchern des Genres ab. Freut euch darauf, überrascht zu werden, denn das kann Die Erleuchtete besonders gut.