Rezension

Außergewöhnliche Fantasy, hat mich sehr inspiriert

Sumerland 1 - Johannes Ulbricht

Sumerland 1
von Johannes Ulbricht

Bewertet mit 4 Sternen

**** Zusammenfassung ****

Es gibt auf der Welt nur eine einzige Stadt: den babylonischen Stadtkegel Waylhaghiri, in dem sich Fiktion und Realität vermischen. Die Welt wie wir sie kennt, ist nur eine Scheinwelt innerhalb Waylhagiris. Umgeben ist der Stadtkegel vom wilden Sumerland, in dem verstreut Siedlungen liegen.
 

 (1) Der waylhaghirische kindliche Prinz Zazamel, seit Jahrhunderten baut und designt er an seiner Stadt und arbeitet auf die große Fusion hin. Er okupiert das Sumerland und kämpft sich mit einer kleinen Armee vor, um den wilden Wein finden, der die große Fusion endlich gelingen lassen soll. Doch seine Begleiter werden einer nach dem anderen von unsichtbarer Hand hingemetzelt.
(2) Die sumerländische kindliche Prinzessin Serisada, sie lebt seit Jahrhunderten in einem riesigen Palast und riecht doch alles, was in ihrem Reich vor sich geht. Sie macht sich auf nach Waylhaghiri, um dort eine Revolution anzuzetteln.
(3) Eine namenslose Ich-Erzählerin, die sich ständig mental mit ihrem verstorbenen Freund Andi unterhält, sie arbeitet in einer Werbeagentur, die in unserer Welt liegen könnte, und wurde teileingeweiht in die Geheimnisse der Stadt. Sie kann teilweise hinter die Kulissen sehen, sie kann sogar Zazamel und Serisada beobachten, aber sie kann sich nicht von der Verführung der Fiktion lösen.
(4) Susannne: Sie ist die Nichte der namenslosen Ich-Erzählerin und behauptet, Waylhaghiri und Sumerland erfunden zu haben. Susanne macht sich unabhängig von Spielwarenhändlern, indem sie sich Spielzeug vorstellt und andere Kinder für diese revolutionäre Art des Spielens begeistert.

 

 

**** Persönlicher Eindruck ****

 

Dieser Fantasyroman spielt auf verschiedenen Realitätsebenen, was vor allem zu Beginn äußerst verwirrend aber nichtsdestotrotz auch bereichernd ist.

 

Der Anfang ist etwas zäh. Die etwa 40-jährige Ich-Erzählerin berichtet von ihrem Job und der Suche nach der großen Liebe. Mit ihr zusammen blenden wir immer wieder zu Zazamel und Serisada. Ihre Geschichte ist nicht uninteressant, aber nimmt dennoch einen zu großen Teil des Buches ein. Da sie selber zwischen einer "normalen" Welt, wie wir sie kennen und dem Blick hinter den Kulissen Waylhaghiri hin- und herschwankt, war auch ich verwirrt: Was ist Realität, was Fiktion, was bildet sie sich vielleicht nur ein? Dazu kommt, dass wir ihrem inneren Monolog lauschen, den sie mit ihrem toten Freund Andi hält. Da diese namenlose Frau nicht im Klappentext auftaucht, ist der Einstieg sehr schwer. Sie bleibt auch unsympathisch.

 

Auch die Handlung um Susanne spielt mit Fiktion-Realität. Wir treffen sie als Nichte der Ich-Erzählerin in Waylhaghiri an. Sie scheint geheimes Wissen um das Wesen der Stadt zu haben und sagt, sie hätte die Stadt und das Sumerland erdacht und beginnt mit einer recht länglichen Vor-Geschichte. Es geht vor allem um das Spiel, dass sie erfunden hat, aber auch wie sie sich den Palast der Prinzessin oder die sieben Hochtugenden ausgedacht hat. Auch hier ist nicht klar: Wenn Susanne die Erfinderin ist, warum treffen wir sie in Waylhaghiri? Auch Susanne taucht nicht im Klappentext auf.

Da sind Zazamel und Serisada wohltuend greifbarer, weshalb es am meisten Spaß gemacht hat, ihren Abenteuern zu folgen. Beide Königskinder waren mir sehr sympathisch.

 

Am spannendsten und interessanten fand ich, die Gesetzmäßigkeiten und Regeln der Kegelstadt zu entdecken. In der Stadt gibt es verschiedenen Ebenen, jede neue Ebene stellt eine Weiterentwicklung, eine neue Idee von Prinz Zazamel dar. Alle Böden neigen sich zum inneren Silbersee hin - und wer, bzw. was in diesen See fällt, das ist für immer verloren.
Manche Bewohner sind ganz in einer Scheinwelt gefangen, wie z.B. die Umgebung der namenslosen Ich-Erzählerin, die glauben, in unserer bekannten Welt zu leben. Andere wiederum wissen, dass sie in einem Stadtkegel leben und streben danach, auf eine der höheren Ebenen zu kommen. Dafür müssen sie z.B. bestimmte Rituale gut durchführen (z.B. auf einer Party "Sehen und gesehen werden" zu spielen). Keiner aber weiß, wie sehr sie von dem Rat der Weisen und dem Prinzen manipuliert und geführt werden.

 

Zusammen mit Zazamel erkunden wir das Sumerland: ein wildes Stück Natur, mit verstreuten Siedlungen. Wir sind nah dran an Zazamel, an seiner Motivation und an seinen Entscheidungen, wir sehen, wie er seine Leute manipulieren kann. Wie Zazamel auch war ich fasziniert vom Sumerland, obwohl die allgegenwärtige Verlassenheit auch etwas Unheimliches an sich hat.
Im Klappentext steht, dass Zazamel erst einen Schritt vor dem Ziel erkennt, wer der Mörder ist. Doch das stimmt nicht. In diesem Band zumindest wird der Mörder nicht enttarnt.

***** Lesen oder nicht? ****

Diese Fantasy-Geschichte punktet durch die Vermischung von Realität und Fiktion. Die waylhaghirische Gesellschaft hält uns den Spiegel vor, es gibt viele Stellen, die den Leser zum Nachdenken bringen über sich selber und unsere Welt. Das Buch ist komplex in dem Sinne, dass es verschiedene Realitätsebenen gibt, die sich nur nach und nach erschließen. Das Buch ist also etwas für Menschen, die gerne beim Lesen mitdenken und sich inspirieren lassen.

 

 

(c) - Diese Rezension wurde zunächst auf meinem Blog veröffentlicht (Bonusmaterial, u.a. 3 Zitate)