Rezension

Außerordentlich gut geschrieben

Raum - Emma Donoghue

Raum
von Emma Donoghue

Bewertet mit 5 Sternen

Eine junge Frau wird von einem Mann in einer Art Bunker als Sexsklavin gehalten - jahrelang. In dieser Zeit bekommt sie einen Sohn von ihrem Peiniger. Jack ist von da an ihr Lebensinhalt und die Frau versucht alles, damit Jack nichts von dem Martyrium mitbekommt. Deshalb erzählt sie Jack nicht, dass es auch ein Leben außerhalb ihres Gefängnisses gibt, damit er sich nicht nach draußen sehnt. Jacks ganze Welt besteht damit aus 12qm "Raum". Jack ist glücklich dort - bis seine Mutter ihm die Wahrheit erzählt und mit ihm ausbrechen will.

Das ganze Buch ist aus Jacks Sicht erzählt im Erzählstil des recht reifen und intelligenten Fünfjährigen. Man bekommt damit seine sämtlichen Gefühle, seine ganze Verwirrung hautnah mit. Dass seine Grammatik nicht immer hundertprozentig stimmt, lässt das Buch noch realer erscheinen und macht ihn noch liebeswerter.

Das Buch behandelt ein sehr schwer zu begreifendes Thema. Wie kann ein Mensch dies anderen antun? Emma Donoghue wählt aber eine fantastische Art, eine solche Geschichte zu erzählen. Im Vordergrund steht nicht der Missbrauch, sondern der kleine Jack. Und für uns wohl alle überraschend: Jack ist zufrieden mit seinem Leben. Für ihn gibt es nichts anderes als "Raum". Das hat zur Folge, dass das Buch in einer positiven Stimmung gehalten ist.. Jack erzählt ganz unbefangen, wie sein Leben in "Raum" aussieht. Wie sein ganzes Leben strukturiert und geordnet ist: Zum Frühstück gibt es 100 Corn Flakes. Um 12 Uhr gibt es Mittag, um 18 Uhr Abendessen. Um 21 Uhr muss er im Schrank schlafen gehen, denn danach kann Old Nick auftauchen. Und jeden Sonntag gibt es ein "Sonntagsgutti", das man sich vorher wünschen darf.

Und dann werden die Strukturen plötzlich aufgebrochen, als seine Mutter ihm erzählt, dass es eine Welt draußen gibt. Was ist denn jetzt "in echt" und was ist "Fernsehen"? Geschäfte gibt es doch nur im Fernsehen, oder? Und es gibt noch andere Menschen? Jack ist unheimlich verwirrt. Und warum will seine Mutter ausbrechen? In "Raum" ist es doch schön. Er braucht gar nicht mehr Platz. Muss es denn so schnell sein? Können sie nicht warten bis zum nächsten Geburtstag, bis er größer ist? Diese innere Zerrissenheit, diese Unsicherheit erlebt der Leser hautnah aus Jacks Sicht mit. Und es ist schwer zu begreifen, dass Jack die einfachsten Dinge, die für uns selbstverständlich sind, nicht kennt und eines nach dem anderen lernen muss.

Ich habe mich anfangs nicht getraut, größere Stücke zu lesen, denn es ist so unfassbar. Immer wieder kamen mir die Tränen, wenn ich lesen musste, wie die Mutter aus Liebe zu ihrem Sohn ihm das Leben in dem kleinen Raum so angenehm wie möglich macht. Es zerreisst einen fast, wenn sie ignoriert, wie unmenschlich ihre Situation ist, damit sie es Jack gegenüber als normal hinstellen kann, sodass er keine Angst hat. Und ich fand es sehr schön, dass dieses Buch so gar nichts Voyeuristisches an sich hatte, denn es geht wirklich nur um Jack, nicht um den Missbrauch.

Dieses Buch ist unfassbar schön. Es ist sehr emotional, ohne jedoch auf die Tränendrüse zu drücken und ohne irgendwelche Klischees. Man muss es einfach gelesen haben!

Kommentare

gaby2707 kommentierte am 04. August 2015 um 16:23

Von dem Buch war ich auch restlos begeistert.