Rezension

Authentizität - check!

Immer diese Herzscheiße - Nana Rademacher

Immer diese Herzscheiße
von Nana Rademacher

Bewertet mit 3.5 Sternen

Geschrieben ist das Buch aus der Sicht der 15-Jährigen Sarah, deren Zukunftspläne sich auf Hartz IV und Schwarzarbeit beschränken. Schwänzen, Trinken und Klauen gehören für sie zum Alltag und von Erwachsenen lässt sie sich sowieso nichts sagen. Als sie beim Dealen erwischt wird, stellt ihr Lehrer sie vor die Wahl: Entweder sie wirkt bei einem Theaterprojekt mit oder sie bekommt einen Schulverweis. Was sie am Anfang zum Kotzen findet, macht ihr mit der Zeit doch Spaß – nicht nur deshalb, weil der schüchterne Paul, der so ganz anders ist als der Typ Junge, auf den Sarah sonst so steht, ebenfalls Teil der Theatergruppe ist…

Dieses Buch hat mich des Öfteren stark an Fack ju Göhte erinnert. Ein Teenager ohne Zukunftsperspektiven und wenig Vertrauen in seine Fähigkeiten gelangt mit einem veränderten Umfeld auf die richtige Bahn. Dies wird von der Autorin sehr realistisch geschildert, denn diese Entwicklung vollzieht sich nicht von jetzt auf gleich, sondern es gibt auch immer wieder Rückfälle, die zeigen, dass es nicht so leicht ist, alte Verhaltensmuster abzulegen und sich selbst auch eine Chance zu geben. Sarah ist zwar ein selbstbewusster und schlagfertiger Teenager, aber sie ist auch von Unsicherheiten und fehlendem Vertrauen in sich selbst gekennzeichnet, was es ihr schwer macht, Vertrauen in andere zu fassen, die ihr weismachen wollen, dass sie auch mehr aus ihrem Leben machen kann. Dieses Buch macht deutlich, dass es auch anders laufen kann, wenn das passende Umfeld nicht gegeben ist. Ohne Personen wie Sarahs Bruder Najim, Katharina, Paul und auch ihren Lehrer Herr Straubmann hätte Sarahs Geschichte auch ganz anders verlaufen können.

Authentizität wird vor allem durch den Schreibstil gewährleistet, denn das Buch ist in starker Umgangssprache verfasst. Da werden dann mal Verben oder Artikel weggelassen („Ich also rüber zum Straubmann“) oder Wörter falsch geschrieben („Lürik“, „Stüropor“). Ich war immer wieder überrascht, wie gut sich die Autorin in ein 15-jähriges Mädchen (mit problematischem Umfeld) hineindenken kann, denn auch Sarahs Gefühlswelt ist sehr nachvollziehbar und glaubwürdig dargelegt. Vor allem am Anfang des Buches hatte ich Probleme damit, Sarah sympathisch zu finden, denn sie ist wirklich ein sehr rebellischer und aufmüpfiger Charakter, der es weder ihren Großeltern noch Kathi oder Paul leicht macht. Mit der Zeit wurde sie jedoch eine angenehme Protagonistin, deren Verhalten ich mit jeder Seite mehr verstehen konnte. Andere Charaktere wie Paul oder Selim und Daniel waren mir auf Anhieb sympathisch, mit anderen wie Dixi oder Pit konnte ich dagegen bis zum Ende nicht warm werden.

Eine Besonderheit lag darin, dass bestimmte Worte oder Sätze fettgedruckt, klein- oder großgeschrieben waren - sei es, um zu verdeutlichen, dass jemand etwas laut oder leise sagte oder um wichtige Sätze hervorzuheben. Das hatte ich noch in keinem anderen Buch so erlebt und hat die Geschichte interessant bereichert. Ein anderes Highlight waren die vielen schönen Sprüche, die beispielsweise Paul vom Stapel lässt, die sich aber auch immer wieder in Sarahs Denken finden.

„Ob das Herz mehr weiß als der Kopf?“ (S. 91)

„Ich konnte fühlen, dass es in den Momenten, die wirklich wehtun, nicht darauf ankommt, ob es tatsächlich gut ist. Es reicht, wenn ein Mensch da ist, der dich liebt und dich festhält und dir sagt, dass alles gut wird.“ (S. 232)

„Das echte Leben ist eine einzige große Herzscheiße mit ein paar Eimern voller Glück.“ (S. 176)

„Für die Welt bist du irgendjemand, aber für irgendjemand bist du die Welt.“ (S. 264)

Das Buch war ein unterhaltsamer Spaß für zwischendurch, aber ich hatte dennoch das Gefühl, dass mir hier und da etwas fehlte. Das sind beispielsweise Rückblicke in die Vergangenheit oder ein ausführlicherer Abschluss, denn am Ende ging doch alles sehr schnell und vieles wurde für mich unzufrieden stellend abgehakt. Es ist in meinen Augen noch ein wenig Luft nach oben.

Fazit

Ein realitätsnaher Jugendroman in einem besonderen, authentischen Schreibstil verfasst, der einen in die Gefühlswelt eines 15-jährigen Mädchens abholt. Mir hat es Spaß gemacht und ich fühlte mich gut unterhalten – von mir gibt es 3,5 Sterne.