Rezension

Bedrückend und fesselnd

Die Farbe von Milch
von Nell Leyshon

Mary ist ein Bauernmädchen von 14 Jahren, deren Leben sich bisher ausschließlich auf dem elterlichen Hof und den zugehörigen Feldern abgespielt hat. Der Ton ist rau. Doch trotz harter Arbeit und einem zur Brutalität neigenden Vater ist sie zufrieden mit ihrem Leben. Sie hat ein inniges Verhältnis zu ihren Großvater, zankt leidenschaftlich mit ihren Schwestern, scheut weder harte Arbeit noch Armut, redet ununterbrochen, ist aufgeweckt und flink im Kopf. Dann schickt ihr Vater sie als Dienstmädchen ins Haus des örtlichen Pfarrers. Und obwohl sie dort offen und freundlich aufgenommen wird nehmen die Ereignisse einen überaus tragischen Verlauf.

Das Buch ist Marys eigener Bericht des Geschehens. Dementsprechend ist die Sprache ungeschliffen, einfach und etwas derb. Das Einfache passt gut zur frechen und sympathischen Hauptcharakterin. Nach einer ganz kleinen Eingewöhnungsphase entwickelt diese Sprache tatsächlich einen unglaublichen Sog, dem ich ihr gar nicht zugetraut hätte. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen und hätte die kurze Geschichte am liebsten in einem Rutsch zu ende gelesen. Obwohl die Umstände für Mary scheinbar besser werden, hat man beim Lesen durchgehend eine düstere Ahnung. Da ich glücklicherweise den zu ausführlichen Klappentext nicht mehr im Kopf hatte, konnte mich die Geschichte mit ihren Wendungen überraschen.

Marys Naturbeobachtungen, die immer wieder in ihren Bericht eingeflochten sind, sind eine schöne Abwechslung in der ansonsten einfach und schnörkellos geschriebenen Geschichte. Auch die Aufteilung nach Jahreszeiten hat mir gefallen und passte ins Bild. Ob so ein Mädchen wie Mary zur Zeit in der die Geschichte spielt realistisch gewesen wäre oder nicht, war mir letztlich nicht wichtig. Das Thema, das Nell Leyshon anspricht ist unglücklicherweise zu jeder Zeit aktuell.

"Die Farbe von Milch" ist eine kurze aber fesselnde Geschichte. Bedrückend und intensiv vielleicht gerade wegen Marys einfacher Worte. Ein tolles Buch, das traurig und betroffen macht, mich aber trotz seiner düsteren Geschichte begeistern konnte.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 12. Mai 2018 um 08:20

Sehr schön geschrieben, Minzi. Du wärst auch nicht auf den Mund gefallen gewesen!