Bedrückende Kommunikationslosigkeit
Bewertet mit 3.5 Sternen
Wenn die Eltern sterben, schauen die Nachkommen in die Vergangenheit, auch in ihre eigene, die so eng mit den Verstorbenen verknüpft ist. So versucht auch der Fotograf Philipp zu verstehen, wie es damals zur Trennung der Eltern kam. Es ist eine unglückliche Verkettung von Ereignissen, die mit der Flucht in den Westen begann, einem neuen Leben dort und falschen Entscheidungen.
Letztendlich ist es die Unfähigkeit, seine Gefühle einzugestehen, zu äußern und mit Partner und Kind zu kommunizieren, die alles Unglück bewirken. Und das hat weitreichende Folgen, die auch das Leben des Sohnes Philipp betreffen, ein verlassenes Kind, das nie richtig verstanden hat, warum, und der als Erwachsener auch nicht in der Lage ist, seine Gefühle auszudrücken.
So wirkt das Buch auf mich sehr distanziert, bedrückend, emotionslos und kalt. Eine unsympathische Mutter, deren Verhalten dem Sohn gegenüber man nicht nachvollziehen kann, ein hilflos wirkender Vater, der alles vom Sohn fernhält ("… sein Schweigen, in das er wie in ein Korsett eingeschnürt war" 191), ein Sohn, der letztlich doch keine befriedigenden Antworten findet.
Bei dieser Kälte, die mich aus dem Buch anweht, reichen mir auch die manchmal sehr schönen sprachlichen Passagen nicht aus, die im Leser Bilder hervorrufen, z.B. wenn die Ostsee beschrieben wird. Die manchmal bandwurmartigen Sätze stören mich nicht, wohl aber das gelegentliche Verschachteln, das in meinen Ohren stilistisch schwerfällig wirkt wie z.B. "... in den man den auf das Ende eines Holzstabs geschraubten Haken klinkte ..." (12) oder "Offenbar war die auf das Nachlassen der erotischen Spannung folgende Auflösung der Gemeinschaft ..." (180)
Alles in allem hat dieses Buch mit seinen Menschen, die zur Kommunikation unfähig sind, ihre Gefühle unterdrücken und verschweigen, deren Gespräche 'stets an der Oberfläche bleiben', wie Philipp selber sagt, mit seiner Kälte Beklemmung bei mir ausgelöst.