Rezension

Bei Fernsehserien hieße es jetzt "jumping the shark"*

Before I Wake - Rachel Vincent

Before I Wake
von Rachel Vincent

Ich ging davon aus, dass der Vorgängerband If I Die das Ende der Reihe sein würde. Titel und Klappentext deuteten damals auch stark darauf hin und es las sich auch auf gewisse Weise wie der letzte Teil einer Reihe. Es wäre ein wirklich guter Abschluss gewesen, trotzdem war ich froh, als ich las, dass es weitergeht ... ja, war. 

Before I Wake hatte großen Ansprüchen zu genügen, denn If I Die war wirklich gut. Sehr gut sogar. Before I Wake aber war es nicht. Und dabei wollte ich das Buch wirklich mögen.

Kaylee muss sich nach ihrem Tod samt anschließender Rückholaktion in If I Die nun in ihrem neuen Job beweisen: Menschen sterben vor ihrer Zeit und jemand macht sich mit ihren Seelen aus dem Staub. Diese Seelen soll Kaylee zurückholen. Es stellt sich heraus, dass Thane und Avari hinter alldem stecken. Avari ist jetzt keine Überraschung, aber Thane ... kann der wirklich gar nicht sterben? Darüber hätte ich noch hinwegsehen können, genauso, wie ich über die Dinge hinwegsehen hätte können, die mich schon seit einigen Büchern stören: Nash ist - um es nett zu sagen - anstrengend. Sabine ist einfach schrecklich. Sie, wie auch Sophie, fühlen sich in ihren angeblichen Opferrollen sichtlich wohl und lieben es, ständig darauf hinzuweisen, was alles schreckliches in ihrem Leben passiert ist, was da wäre: Nashs Drogensucht, die gescheiterte Beziehung mit Kaylee, seine Alkoholsucht, dass er von der Polizei für Kaylees Mörder gehalten wurde, bis sie zurückkam. Schuld an alldem: Kaylee und/oder Tod. Sabine hat - immer noch - nur das eine Problem: Dass Kaylee lebt und existiert und Nash deswegen nicht Sabine die Liebe entgegenbringt, die er - so ist sie überzeugt - für sie empfindet/empfinden sollte. Schuld daran: Kaylee. Immerhin exisitert sie. Sophie? Sophie ist Sophie. Charakterentwicklung innerhalb der sechs Bände? Fehlanzeige. Was bisher in Ordnung war, weil sie nichts darüber wusste, dass Kaylee eine Banshee ist, Sophies Mutter einen Deal mit einem Dämon gemacht hat und einige ihrer Freunde durch Dämonen getötet wurden und nicht an mehr oder weniger normalen Umständen gestorben sind. Aber sie weiß es nun. Sie weiß alles und verhält sich noch immer wie ein verzogenes, kleines Kind. Und immer noch ist Kaylee an allem Schuld, was ihr schlechtes widerfährt.

Und Kaylee? Ich habe darauf gewartet, dass sie einmal richtig auf den Tisch haut und den dreien sagt, wo sie sich ihre Meinung hinstecken können. Stattdessen gibt sie nach, als Sabine sie ihre Freundin nennt. Freundin? Sabine hat versucht, sie zu töten und jetzt sind sie Freundinnen? Und Nash ... ach, ich spare mir meine Worte über ihn. Ich mochte ihn noch nie. Zu Beginn war er einfach der zu perfekte Sunnyboy, das typische Love Interest. Mittlerweile wirkt er wie ein Kinderstar, der keine Rolle mehr bekommen hat und abgerutscht ist. Er trinkt, schläft mit Sabine und geht danach zu Kaylee und versucht, sie zurückzugewinnen.

Zum Glück gab es noch Tod und Em. Was war ich begeistert, als Tod und Kaylee in If I Die endlich zusammenkamen. Was sich bei Kaylee und Nash immer sehr gezwungen gelesen hatte, wirkt endlich richtig. Und das setzt Rachel Vincent auch in Before I Wake fort. Die Liebesgeschichte zwischen den beiden ist ein Lichtblick des Buches für mich gewesen. Ja, sie war zuweilen sehr schmalzig, aber für ein Jugendbuch war es in Ordnung. Auch macht bei den beiden wenigstens die Erwähnung von Ewigkeit einen Sinn und sie weisen sich auch gegenseitig darauf hin, dass sie sehr wohl die Ewigkeit erleben könnten.

Before I Wake ist das vorletzte Buch der Reihe und ich fand, das merkte man ihm an. Alles scheint auf ein großes Finale ausgerichtet. Es wird noch einmal aus den vorherigen Bänden geholt, wer und was herausgeholt werden kann und ein paar neue Figuren werden dann auch noch in den Mix geworfen. Irgendwie wirkte es ein wenig unruhig.

Ich hatte im Vorfeld gelesen, dass es Tote geben würde. Dem war auch so, allerdings fühlte ich mich hier ein wenig ... veralbert. Tote, die Kaylee wirklich, wirklich nahestehen und die tot geblieben wären, wären für mich ein Pluspunkt gewesen, weil sie gezeigt hätten, dass niemand sicher ist und das Ende nicht vorhersagbar ist. Tja, meine Erwartungen wurden nicht erfüllt. Es wirkte wie ein erzwungenes Drama, das dann doch keines war.

Ich bleibe bei meiner Meinung: If I Die hätte das letzte Buch sein sollen und die Serie hätte ein gutes Ende gehabt. Nun, Before I Wake ist das vorletzte, also werde ich mir das letzte wohl noch holen, auch wenn meine Erwartungen nach diesem Band nicht mehr sehr hoch sind.

Trotzdem gibt es drei Lesekatzen, einfach, weil ich die Serie eigentlich mag.

 

*Zur Erklärung: "Jumping the Shark" (über den Hai springen) ist ein Ausdruck, der bei Serien verwendet wird, wenn diese ihren Höhepunkt überschritten haben und nur noch bergab gehen.