Rezension

Beklemmend und dicht, virtuos erzählt

Idaho - Emily Ruskovich

Idaho
von Emily Ruskovich

Bewertet mit 5 Sternen

Eine Familie ist im Wald beim Brennholz sammeln. Vater, Mutter, zwei Mädchen. Es ist heiß, die Eltern arbeiten die Kinder spielen und plötzlich ist da ein Beil, eines der Mädchen tot, die sechsjährige May, die neunjährige Schwester June auf ewig im Wald verschollen. Die Mutter Jenny geht für die Tat lebenslänglich ins Gefängnis.

Der Vater Wade leidet an einer familiären Disposition der Frühdemenz, seine zweite Frau Ann, die er ein Jahr nach der Katastrophe heiratet, beginnt ein Leben in Wades Retrospektive.

Idaho ist ein beklemmendes atmosphärisch dichtes Meisterwerk. Unzählige Zeitebenen, viele Fäden, die zusammen und wieder auseinanderlaufen. Personen tauchen auf, bei denen man zu Beginn ihre Wertigkeit für das Buch unterschätzt, aber die die Autorin so gekonnt als Bande für ihre fortwährend rollende Erzählkugel verwendet. Das Buch zieht einen virtuos in ein Geflecht von Schuld, Vergebung, Liebe, Erinnerung. Bei aller Grausamkeit des Geschehens bleibt so viel Zärtlichkeit für die Figuren über.

Was bleib von der Vergangenheit, wenn einen die Erinnerung dazu fehlt, wenn einem das Gedächtnis im Stich lässt. Was passiert, wenn  echte Erinnerung von gedachter oder erzählter Erinnerung überdeckt wird. So wie Ann versucht den Hergang der Katastrophe zu rekonstruieren, so verliert sich der Leser in von der Autorin offensichtlich gewünschten Spekulationen. Ganz geschickt manipuliert Emily Ruskovich den Leser, allein an die Möglichkeit völlig irrationaler Geschehnisse zu glauben. Ein wenig ist das Buch wie ein Gemälde von Escher, alles dreht sich, führt scheinbar im Kreis, verwinkelt, verschoben und nur bei einer kleine Änderung des Blickwinkels schon wieder ganz anders.

Mich hat das Buch über weite Strecken außerordentlich begeistert. Und doch, fühlte ich mich zum Schluss von der Autorin ein wenig allein gelassen. Je länger ich allerdings über das für mich zunächst so unbefriedigende Ende nachdenke, komme ich immer mehr zu dem Ergebnis, dass in den letzten Sätzen alles das steht, was es über das Buch zu wissen gilt.