Rezension

Bericht eines Buch-Handlungs-Reisenden

In 60 Buchhandlungen durch Europa - Torsten Woywod

In 60 Buchhandlungen durch Europa
von Torsten Woywod

Bewertet mit 4 Sternen

Vier Wochen lang reiste der passionierte Buchhändler Torsten Woywod durch Europa, besuchte besonders schöne oder ausgefallene Buchhandlungen und erregte so den Neid der gesamten Online-Buch-Community. Die Eindrücke dieser außergewöhnlichen Reise schildert er in diesem Band.

Das Buch ist als Reisebericht aufgezogen. Ich lese sehr gerne Reiseberichte. Was man aber bei einem Reisebuch nicht machen darf, ist, zu schreiben, dass man spontan umgeplant und einen Abstecher ins Baskenland gemacht hat, um dann, als wäre das nichts Besonderes, um der Chronologie willen mit der Beschreibung Marseilles fortzufahren. Empört habe ich das Leseband bei Marseille gelassen und bei Bilbao weitergelesen! Irgendwie ist das sonst nicht ganz echt (außerdem liebe ich die Basken!). Ich finde, ein Autor muss sich schon entscheiden: entweder, er schreibt einen authentischen Reisebericht, oder er hält sich an seine Länderordnung und belässt den Leser in der Illusion, die richtige Reihenfolge vor sich zu haben - denn bei diesem Misch-Ding fühlt man sich als Leser nicht mehr so ganz mitgenommen. Und dann passiert es schon wieder - ich möchte so gerne wie angekündigt mit Torsten Woywod nach Portugal weiterreisen, aber auf der nächsten Seite folgt Madrid. Langsam werden meine Lesezeichen knapp...

Mir fehlen ein bisschen die Bilder. Die Texte sind nicht schlecht geschrieben, aber auf Dauer hätte man schon eine üppigere Illustration mit Beispielen vertragen können; des Autors Vertrauen in des Lesers Kopfkino in allen Ehren, aber ein paar mehr Fotos wären schon fein gewesen. So flüssig und sympathisch Torsten Woywod auch schreibt, bei so wenig Handlung bräuchte man doch ein wenig mehr Visuelles. Es ist durchaus nett, zu lesen, in welcher Farbe die Fensterrahmen einer Buchhandlung gehalten sind und wieviele Veranstaltungen im Jahr in ihr stattfinden, und auch, welches Buch den jungen Buchhandlungsreisenden sehnsüchtig vom Verkaufstresen angelächelt hat, allerdings - sechzig Buchhandlungen lang? ... Aber was habe ich denn erwartet? Nun, auf jeden Fall mehr Bilder. Immer wieder lesen wir von den vielen schönen Fotos, die der Autor schießen durfte, bekommen aber selber davon nur bescheidene Auszüge zu sehen; das ist ein bisschen unfair...!

Aber dann hat man doch Spaß; sehr nette und schön erzählte Anekdoten lockern die anschaulichen Beschreibungen der verschiedenen Buchhandlungen auf. Sprachlich einwandfrei und mit einer ansteckenden Begeisterung beschreibt der Autor Buchhandlung um Buchhandlung und hin und wieder auch mal die eine oder andere Buchhändlerin ... Und einen echten Sympathiepunkt bekommt er von mir für die Erwähnung der Begegnung mit dem Obdachlosen am Queen's Theatre.

Manche Situationsbeschreibungen sind sehr stimmungsvoll. Toll ist zum Beispiel die Atmosphäre bei der Ankunft des Autors in Rumänien beschrieben. Wo der Buchhandlungsführer zum Reisebericht wird, wird er sympathisch, erhellend, angenehm zu lesen.

Eine bittere Pille mischt sich in die Lektüre, wenn man liest, dass drei der besuchten besonders schönen, besonders individuell gestalteten kleinen Buchhandlungen inzwischen leider geschlossen sind. Hoffen wir, dass dieses Buch kein Abgesang auf die kleine schnuckelige Buchhandlung an der Ecke wird.

Die Aufmachung ist sehr schön; das Buch ist handlich und kann so vielleicht tatsächlich vom bibliophil veranlagten Buchhandlungsreisenden als Reiseführer mitgeführt werden. Eine schöne Idee sind die Buchempfehlungen zu dem jeweiligen Land am Ende jedes Kapitels. Ein echter Pluspunkt!

Kommentare

wandagreen kommentierte am 14. März 2017 um 14:53

Wunderschöne kritische Rezension, die aber sehr fair bleibt. Wenn du nicht schon den Pokal für die beste Rezi 2016 hättest, diese wäre wieder ein Anwärter darauf auf die beste Rezi 2017! Vllt sollte ich eine Challenge dazu machen. Was meinst du?

Arbutus kommentierte am 14. März 2017 um 20:14

Wenn mir nicht inzwischen ganz schwindelig wär von den ganzen Challenges, würd' ich vielleicht sagen: gute Idee : )