Rezension

"Berlin, du kannst so hässlich sein ..." (Peter Fox)

Drecksspiel - Martin Krist

Drecksspiel
von Martin Krist

Bewertet mit 5 Sternen

Eltern die um das Leben ihrer Tochter bangen. Toni, der definitiv immer zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort ist. Ein Familienwochenende, das zu einem Horrortrip mutiert. Eine tote Prostituierte. Berlin im Hochsommer. In der Hitze der Stadt gerät das Leben einiger Bewohner innerhalb weniger Stunden völlig außer Kontrolle, fließt der Angstschweiß in Strömen, stirbt die Hoffnung im Sekundentakt.

Ein Zimmer oder ein Flur mit schäbigen Türen, abgerissenen Teppich und Fußboden, dreckigen Wänden. Zwar ist das Buchcover schon düster gehalten, doch die darauf verwendeten Farben sprechen eine zwiespältige Sprache. Magenta, Hellblau und Grün erwecken den Eindruck, dass es sich hier um einen Teil, eines in die Jahre gekommenen, ehemals prächtigen Hauses handeln könnte.

Zunächst sind alle auf der Suche. David Gross sucht nach Shirin, Toni seine Uhr, Arthur einen Neuanfang und Pedro und Aki Abwechslung. Alle stoßen bei ihrer Suche auf unvorhergesehene Komplikationen. Dabei immer im Hintergrund erscheinend - Miguel Dossantos. Ein sich nach außen honorig gebender Restaurantbesitzer, der jedoch als Pate von Berlin alle Fäden in der Hand hält, dem aber nie jemand etwas nachweisen kann. Trägt er die Verantwortung für Hannahs Qualen und was hat es mit dem Selbstmord von Horst auf sich, den David nicht begreifen kann?

BÄM! Wie im Stroboskoplicht einer Diskothek knallt mir Martin Krist die einzelnen Szenen seines Romans Drecksspiel um die Ohren. Mehr als fünf Handlungsstränge, die sich zusammenhangslos im Minutentakt abwechseln, manchmal nicht mehr als 2-3 Seiten lang sind, machen das Beiseitelegen des Thrillers nahezu unmöglich. Nicht nur die Darsteller hetzen durch das verschwitzte, dreckige Berlin, auch ich als Leser gerate in Schnappatmung und bin dankbar, dass ich die Temperatur der Heizung, jetzt im Herbst, variieren kann.

Viele Personen, viele Schauplätze. Es gibt Romane, die ich schnell wieder aus der Hand lege, weil sie mir zu unübersichtlich wirken. Nicht so bei Martin Krist. Mühelos führt er den Leser in die jeweiligen Handlungen und Orte ein, wechselt zur nächsten Szene und kehrt nach einiger Zeit nahtlos zum Ausgangspunkt zurück. Das bedarf einer gewissen Aufmerksamkeit, welche der Autor jedoch mit seinen klaren Worten ohne Weiteres hervorruft. Gewiss - nicht jedermanns Sache - doch für mich erneut ein sehr spannungsreiches Leseerlebnis. Hinweis und Hilfestellung für Krist-Erstleser: Es gibt ein Personenverzeichnis.

Seinen in Die Mädchenwiese eindrucksvoll zu Schau gestellten Schreibstil hat Martin Krist weiter ausgebaut. Der Thriller ist noch dreckiger, noch schneller, geht noch mehr unter die Haut, weist noch mehr aussichtlose Situationen auf. Doch Krist hat alles im Griff, fügt zusammen, was zusammen gehört, hinterlässt keine Fragen und setzt gekonnt Cliffhanger, die einen Lese-Stopp nahezu unmöglich machen. Nach und nach blickt man hinter die einzelnen Fassaden der Charakteren, die teilweise blass wirken, was der Handlung, der treibenden Kraft des Romans, jedoch keinen Abbruch tun.

Als ich das Buch erstmals am beigelegten Lesezeichen aufschlage, lauten die ersten Worte „Verfickte Scheiße“. Das kann ja interessant werden, dachte ich und sollte mich keine Sekunde täuschen. Krists Charakteren, die Handlungsorte, die Dialoge – sie erscheinen allesamt stimmig. Seine Art und Weise Geschichten zu erzählen ist schnell, packend und mitreißend. Es ist ein tolles Gesamtpaket, welches Martin Krist geschnürt hat.

Leseempfehlung? Unbedingt.
Für wen? Nichts für Warmduscher, Turnbeutelvergesser oder zarte Seelen. Wer Aktion, Spannung und Tempo liebt ist hier bestens bedient.