Rezension

Berührend

Ich soll nicht lügen - Sarah J. Naughton

Ich soll nicht lügen
von Sarah J. Naughton

Bewertet mit 4 Sternen

Nach vielen Jahren ohne Kontakt kehrt Mags wieder in ihre Heimatland zurück und muss feststellen, dass ihr Bruder im Koma liegt, weil er gut 15 Meter in die Tiefe stürzte. Seine angeblich Verlobte Jody behauptet er sei depressiv gewesen und habe versucht sich umzubringen. Obwohl Mags ihren Bruder Abe kaum kennt, kann sie nicht glauben, dass er den Freitod gewählt haben soll. Was, wenn alles eine große Lüge oder gar Verschwörung ist und jemand ihn geschubst hat? Kann es gar Jody gewesen sein, die scheinbar einzige Zeugin der Tat? Mags beginnt zu ermitteln und muss schnell feststellen, dass hinter den Türen der Kirche schwarze Abgründe lauern, die die Grenzen von Wahrheit und Lüge verwischen.

Mags als Protagonistin ist mir von Anfang an nicht sympathisch. Sie ist ziemlich arrogant, gnadenlos, egoistisch, zornig, öfters auch aggressiv und kennt scheinbar keine Grenzen. Jody ist das komplette Gegenteil: Unsicher, verschüchtert, psychisch labil - wobei das gefühlt 3/4 aller Personen in der Geschichte sind - traumatisiert und lebt in ihrer eigenen perfekten Illusion. Bis mindestens zur Hälfte des Buches ist es ein hin und her und irgendwie kommt die Geschichte nicht so in die Gänge, doch mit den ernsthaften Ermittlungen bezüglich des Sturzes von Abe wird endlich mehr Licht ins Dunkel gebracht und es wird ziemlich spannend. Es freute mich zu sehen wie Mags sich weiterentwickelt und von ihrem nicht ganz so tollen Charakter Abstand nimmt und sich und ihr Verhalten reflektiert. Die Einblicke in die Vergangenheit von Jody, Mags und Abe sind teils ziemlich schlimm. Vor allem, wenn man bedenkt was Jody alles durchmachen musste und immer noch muss. Ich hatte als Leserin fast immer Mitleid mit Jody und war verärgert über Mags respektloses Verhalten. Das Ende ist dann ziemlich spannend und unglaublich, wenn man berücksichtigt wie das alles begann. Die Schuldgefühle, all das was für immer verloren scheint, all die verpassten Momente, alles was das Leben ausmacht und die Tatsache, dass sich nichts mehr rückgängig machen lässt, eine Sehnsucht nach Liebe, Vertrauen und Stabilität. Das staut sich am Ende alles und möchte freigelassen werden. Ich empfand gerade die letzten Seiten als sehr berührend, authentisch und traurig. Es hat mich mehr ergriffen als der Rest des Buches.