Rezension

Berührend!

Wiedersehen in Barsaloi - Corinne Hofmann

Wiedersehen in Barsaloi
von Corinne Hofmann

Bewertet mit 4 Sternen

Vierzehn Jahre nach ihrer Flucht, findet sie schließlich den Mut zurück nach Kenia zu reisen und hat auch den Vorsatz ihren Ex-Mann, den einstigen Massaikrieger Lketinga, wieder zu treffen. Doch sie fährt alleine, ohne ihre Tochter, da Napirai zu dieser Zeit noch nicht volljährig ist und Corinne Hofmann nicht absehen kann, wie Lketinga auf die beiden reagiert. Des Weiteren kann sie nicht abschätzen, welche Gesetze Napirai evtl. eine Rückkehr in die Schweiz erschweren oder sogar verbieten würden. Nicht auszudenken, sie müsste in dem Dorf bleiben und würde gegen ihren Willen beschnitten und verheiratet werden! (Ich bin sehr froh, dass sich die Autorin in dieser Hinsicht Gedanken und Sorgen gemacht hat.)

    "Nach kenianischem Recht gehört das Kind dem Vater und nach dem Stammesrecht meines Ex-Mannes gehört es sogar der Großmutter, also seiner Mutter. Aus Sicht der Samburu ist Napirai mit ihren fünfzehn Jahren gerade im besten heiratsfähigen Alter. Die Mädchen werden auch heute noch sehr jung verheiratet und durch die Genitalbeschneidung fürchterlich verstümmelt." (Seite 17)

Auf ihrer Reise nach Barsaloi, wird die Autorin von ihrem Verleger Albert und dem Fotografen Klaus begleitet. Ihr erstes Buch "Die weiße Massai" wird zur selben Zeit vor Ort gedreht. Ein Besuch der Filmcrew ist auch geplant. Corinne Hofmann möchte gerne sehen, wie ihre und Lketingas Geschichte verfilmt wird.

James, der jüngere Bruder Lketingas, der eine Schulbildung genossen hat, ist das Bindeglied zwischen der Autorin und ihrer afrikanischen Familie, da er alle Fragen und Antworten übersetzen kann. James wird die drei ins heimatliche Dorf nach Barsaloi begleiten und versichert Corinne, dass Lketinga sich auf das Wiedersehen nach so langer Zeit freue und keine Probleme machen wird. Sie, als auch ich, sind erleichtert!

Und so gibt es ein herzliches und emotionals Wiedersehen mit Mama, Lketingas Mutter, wie auch mit all den anderen Familien- und Stammesmitgliedern, die sie von damals kannten.

Ich war sehr gerührt und froh, dass die Autorin nach so langer Zeit zurückkommen und ihren Frieden mit sich, dem Land und der afrikanischen Familie schließen konnte. Sie haben ihr verziehen, obwohl Lketinga zu Anfang noch geglaubt hatte, sie käme wieder zurück, so, wie sie es immer getan hatte. Er hatte wieder geheiratet und eine weitere Tochter bekommen. Er war über die Tatsache verstimmt, dass Napirai nicht mitgekommen war, konnte aber verstehen, dass sie aus schulischen Gründen zu Hause bleiben musste.

In diesem Wiedersehens-Buch erfährt man deutlich mehr über das Leben, die Traditionen in Kenia und des Samburu-Stammes als in "Die weiße Massai". Das hat mir sehr gut gefallen! Die Autorin macht auf die Veränderungen aufmerksam, die sie nach vierzehn Jahren erkennt. Das Land hat sich gewandelt und eine "neue Zeit" ist auch in die einst überwiegend von Traditionen bestimmten Stämme eingezogen. Sie sind deutlich moderner geworden und essen sogar Spaghetti, von denen sie damals dachten, es wären Würmer.

Es hat mich auch sehr gefreut zu lesen, dass Corinne Hofmann in all den Jahren ihre afrikanische Familie finanziell unterstützt hat. Dadurch konnten sie überleben und mussten nicht hungern oder verhungern. Ein Teil der Einnahmen fürs erste Buch sowie für den Film gingen an Lketinga.

Die weiße Massai konnte nach so langer Zeit schließlich in Erinnerungen schwelgen, geliebte Menschen wiedersehen und Orte besuchen, an denen sie eine schöne Zeit verbracht hatte und die für immer in ihrem Herzen bleiben werden. Am Ende bestärkt diese Reise sie in dem Gedanke und der Vorstellung, dass ihre Tochter eines Tages hoffentlich auch den Wunsch verspüren wird ihre Wurzeln zu suchen, ihre Blutsverwandten zu treffen und ihren Vater kennenlernen zu wollen.

    "Ich lasse meinen Erinnerungen, Gefühlen und Gedanken freien Lauf während meine Füße sich bei jedem Schritt in den Sand graben. Mir wird bewusst, wie stark meine Faszination für Kenia geblieben ist, am stärksten jedoch für den Teil des Landes, der am härtesten zu bewältigen ist - das Samburuland. Ich spüre aber auch, dass ich nicht mehr in Kenia leben wollte und könnte, weder im Samburuland noch hier an der Küste." (Seite 252)

Das Tolle an dem Taschenbuch sind auch hier wieder die sehr interessanten Bilder, die Corinne Hofmann nun als Mittvierzigerin zeigen. Bilder, die während ihrer Reise entstanden sind, auf denen man den nun auch etwas älteren Lketinga und seine Mama sehen kann, wie und wo sie jetzt wohnen als auch weitere Familienmitglieder. Es gibt Bilder vom ehemaligen Shop, dem ersten Samburu-Lebensmittelladen in Barsaloi und von dem Treffen der Autorin mit den Hauptdarstellern des Films Nina Hoss und Jacy Ido.

Fazit:
Ich habe dieses Buch sehr gerne gelesen! Es führt die Geschichte der weißen Massai fort und zeigt ihre Ängste und die Trauer, die sie in all den Jahren nach ihrer Flucht hatte und bis dato nicht richtig verarbeiten konnte. Durch ihre Tochter ist sie mit der afrikanischen Familie auf immer verbunden und konnte mit ihrer Reise und dem erfolgreichen Wiedersehen glücklicherweise den Weg (vor)bereiten, damit Napirai in naher Zukunft dann ihren ersten Schritt zum zweiten Teil ihrer Familie wagt.