Rezension

Berührend, aber zu einseitig

Schuld und Menschlichkeit - Constantin Himmelried

Schuld und Menschlichkeit
von Constantin Himmelried

Bewertet mit 4 Sternen

In Deutschland sind rund 62'000 Personen in Strafanstalten inhaftiert. Constantin Himmelried schaut in vier dieser Fälle etwas hinter die Kulissen.
Ein Familienvater, der einen Mann brutal hinrichtet, ein Dieb, der sich kurz vor seiner Entlassung aus dem Gefängnis umbringt, ein Vergewaltiger, der seine Strafe abgesessen hat und ein südkoreanischer Schlepper. Dieser vier Fälle betrachtet der Autor etwas näher. Dabei stellt er sich jeweils klar auf die Seite des Täters, stellt ihn sympathisch dar und versucht, seine Beweggründe nachvollziehbar erscheinen zu lassen. Weniger gut weg kommen dabei oft andere Beteiligte sowie Behördenmitglieder. Inhaltlich hat mich das Buch sehr gepackt und berührt, sodass ich das eine oder andere Mal ein Tränchen verdrückt habe wegen dem Leid, das den portraitierten Personen zugestossen ist.

Obschon mir das Buch gut gefallen hat, gibt es doch einen Punkt, der mich etwas gestört hat. Die vier Fälle, die der Autor Constantin Himmelried ausgesucht hat, drehen sich ausschliesslich um Menschen, die unschuldig im Gefängnis gelandet sind oder zumindest aus absolut nachvollziehbaren Gründen gehandelt haben. Da ich selber schon seit Jahren in der Justiz tätig bin, ist mir durchaus bekannt, dass es auch solche Fälle gibt. Doch durch die Auswahl der Fälle stellt der Autor es so dar, als wenn dies der Alltag wäre (auch der Klappentext stellt es so dar). Auch wenn manch ein frustrierter Mann es nicht wahrhaben will, nein, es ist nicht Standard, dass ein Mann nur aufgrund der Aussage einer Frau, die allen Indizien widerspricht, für Jahre im Knast landet, da ist etwas massiv schief gelaufen (unfähiger Verteidiger in Kombination mit einem für seinen Job offenbar unqualifizierten Richter). Eine etwas ausgeglichenere Auswahl hätte das Buch realistischer erscheinen lassen. Im Nachwort gibt der Autor an, die Fälle basierten auf wahren Begebenheiten, seien aber verfälscht und mit etwas Fiktion angereichert worden, um Rückschlüsse auf die Beteiligten zu verhindern. Wieviel schlussendlich wahr und wieviel erfunden ist, bleibt unklar. Manche der Fälle erscheinen mir zu schön, um wahr zu sein. Ebenfalls unklar bleibt mir, woher der Autor alle Informationen zu den Fällen hat, ob ein Gerichtsdiener wirklich so tiefen Einblick in alles hat?

Der Schreibstil des Autors lässt sich flüssig lesen und ist sehr fesselnd, sodass ich das Buch in einem Rutsch durchgelesen hatte. Am Layout merkt man allerdings, dass das Buch im Selbstverlag erscheinen ist, der genutzte Blocksatz ohne Silbentrennung führt oft zu unschönem Auseinanderziehen der Sätze.
 

Mein Fazit

Berührend, aber zu einseitig.