Rezension

Berührend, zuckersüß und tiefgründig

Mein bester letzter Sommer
von Anne Freytag

Bewertet mit 5 Sternen

Obwohl mich die Geschichte interessiert hat, bleib vor dem Lesen doch eine gewisse Skepsis, die daher rührte, dass das Thema todkranke Teenager - so hart das jetzt klingt - allmählich ausgereizt ist. Dementsprechend war ich schon mal positiv überrascht, dass Tessa kein Krebs hat.
Rückblickend betrachtet bin ich froh, dem Buch eine Chance gegeben zu haben, denn es erwartete mich eine zuckersüße Liebesgeschichte.

Dabei war ich im Prolog noch ein wenig irritiert, denn es handelt sich hier buchstäblich um Liebe auf den ersten Blick. Zack - er kam, sie sah, große Liebe. Zugegeben, ich bin da normalerweise wirklich kein Fan von, weil ich eher auf Entwicklungen stehe, dennoch habe ich dieser Liebesgeschichte das verziehen, weil die Gefühle einfach unglaublich nachvollziehbar dargestellt wurden, sodass ich sie mitempfunden habe.
Außerdem sind die beiden wirklich süß zusammen. Eifersuchtsanfälle treten zwar auf, werden aber sehr schnell wieder abgehandelt, stattdessen warten auf den Leser niedliche Dialoge mit zwei Charakteren, die sich in den jeweils anderen einfühlen und alles für den anderen tun würden. Die Liebe des Lebens, einen Sommer lang. Und ich konnte nicht anders, als mich in den Bann ziehen und mir zwischendurch ein Lächeln auf die Lippen zaubern zu lassen.

Dennoch spielt auch Tessas Krankheit eine Rolle. Sie selbst macht im Verlauf des Buches eine Entwicklung mit Symbolkraft durch. Anfangs ist sie wütend, lehnt alles ab und verschließt sich in ihrem Zimmer, um ihren Tod zu organisieren, ist reizbar und genervt. Ich fand das nicht übertrieben, aber das ist Ansichtssache, ich habe auch schon gegenteilige Meinungen gelesen. Angesichts des nahenden Todes, mit dem sie konfrontiert wird, fand ich das Verhalten aber schon wieder nachvollziehbar, gerade weil es vermutlich schwierig ist, damit umzugehen. Dabei finden sich gerade anfangs auch viele teils tiefgründige Gedankengänge zum Sterben.
Ihr ganzes Leben lang war sie eine durchgeplante Perfektionistin, und erst Oskar regt sie dazu an, endlich auch mal spontan zu handeln und loszulassen. Dadurch ergeben sich unheimlich viele wunderschöne Szenen, auf die ich aus Spoilergründen nicht näher eingehen werde, die aber so beschrieben wurden, dass die Bilder vor meinem Auge entstanden. Und das manchmal ziemlich köstliche Essen schien ich geradezu zu schmecken.
Das Buch enthält einen Roadtrip quer durch Italien, dargestellt vorne auf einer Karte zum Mitverfolgen, immer begleitet von Musikstücken, die hinten in einer Playlist zusammengestellt wurden. Und Italien bietet eine wirklich malerische Kulisse.

Oskar ist aufmerksam, kümmert sich um Tessa, bleibt bei ihr trotz dass sie bald sterben wird und verfügt dennoch über Ängsten und Sorgen, die ihm Vielschichtigkeit verleihen.
Generell sind alle Charaktere unglaublich tiefgründig. Hinter der äußeren Fassade und dem Verhalten, das auf den ersten Blick oft nicht sonderlich sympathisch wirkt, verbirgt sich ein vielschichtiger Charakter, der Hintergründe für ebendieses Verhalten hat und auch nur Ängste verbirgt. Gerade in Tessas Familie zeigen sich auch unterschiedliche Weisen der Bewältigung.
Was noch mein Herz berührt hat, waren Menschen, die eigentlich Fremde sind, dann aber Tessa helfen, einfach so. Solche Menschen gibt es wirklich, und dass ihnen hier ein Platz gewidmet wurde, hat mich einfach nur bezaubert.

Würde ich das Buch mit einem Wort beschreiben müssen, würde ich sagen: Berührend. Berührend sind diese süße Liebesgeschichte, die tiefgründigen Charaktere und die Handlung. Und, wie es zu erahnen war, ist das Buch auch emotional, sodass meine Augen nicht so ganz trocken blieben.
Der Schreibstil ist zwischenzeitlich fast poetisch angehaucht, insgesamt aber vor allem locker gehalten, sodass es auch einige humorvolle Stellen gibt.

Fazit: Berührend - eine zuckersüße Liebesgeschichte mit äußerst tiefgründigen Charakteren